Vielleicht ist es der Zeit des Jahres geschuldet, aber es erscheint mir durchaus angemessen, den diesjährigen AdRantsKalender™ mit einem, nun, nennen wir es vielleicht Abgesang auf den Einzelhandel zu beginnen. Denn nicht selten beginnt die weihnachtlich-unsinnliche Saison mit einer medialen Auf- und Endrüstung gegen und vor allem über dem Einzelhandel. Alljährlich kann sich dann der Kommentar- und Artikel-Schreiberling diverser On- und Offline-Medien nicht wirklich entscheiden, ob der Einzelhandel an sich Täter und Ausbeuter gegenüber seinen Angestellten oder da nieder liegendes Opfer der berüchtigten Endstufen-Kapitalismusmonster Amazon & Konsorten ist.
Da dieses vorweihnachtliche Ritual inzwischen genau so zum Dezember gehört wie die alljährliche Feuerwerksdiskussion oder die oktoberliche Zeitumstellungentrüstung, lassen wir diese Fragestellung lieber unangetastet…nun ja, fast.
Denn trotz vieler, vieler Jahre Erfahrung als Kunde und Opfer des Einzelhandels, gebe ich diesem doch wieder und wieder eine Chance. Allerdings ist nun – mal wieder – meine Geduld diesbezüglich doch ein wenig an ihre Grenzen geraten und die Gründe, den ewig jammernden Aufrufen zum allgemeinen Schutze des inzwischen auf der Roten Liste der Gefährdeten Arten stehenden Einzelhandels sowie des Innennstädte-Biotops zu retten, nehmen exponentiell ab.
Wenn man das „Glück“ hat, fußläufig in der Nähe eines sagen wir mal recht umfänglichen Einkaufszentrums zu wohnen, so ist die Hemmschwelle, dort gelegentlich die Auswüchse des merkantilen Treibens in Augenschein zu nehmen, doch eher gering, da mit wenig Aufwand verbunden. Bedeutet, wenn die Holde sagt, lass uns zusammen einkaufen gehen, und zwar keine grundlegenden Dinge des Alltags, dann ist die Ausredendecke ausgesprochen dünn. Um trotzdem ein wenig die Kontrolle über einen potenziellen Konsumanfall zu behalten, empfiehlt sich das vorherige Erstellen eines sogenannten Marschplans, in Fachkreisen Einkaufszettel genannt. Ein paar Socken, ein Sportbadehose für den Kurzen und noch ein Spiel zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Hört sich recht unkritisch an, sollte man meinen. Und eine Lokalität, die mehrere Sport- und Bekleidungsgeschäfte sowie Buch- und Spielwarenhandel beherbergt, sollte den Erfordernissen des zur Seite geneigten Kunden durchaus gerecht werden können. Und ja, all dies hätte man durchaus online bestellen und innerhalb von 48 Stunden geliefert bekommen können, aber es soll durchaus Menschen geben, die sich an der Tätigkeit des Vor-Ort-Einkaufens erfreuen.
Bevor wir mit dem Anekdötchen fortfahren sei angemerkt, dass das hier beschriebene keinen Einzelfall darstellt, sondern sich seit einigen Jahren so oder so ähnlich in regelmäßigen Abständen wiederholt – natürlich ohne wirkliche Lernkurve auf Kundenseite (also bei uns). Die beschriebene Abfolge ist dabei immer identisch oder zumindest sehr, sehr ähnlich.
Es beginnt mit der mehr oder weniger gegebenen Verfügbarkeit und dem Vorhanden sein eines verkaufswilligen Einzelhandelsschergen. Je nach Preisklasse der Lokalität dauert es manchmal länger, gelegentlich weniger lang, sich eben einen solchen zu „erjagen“. Fairer Weise sei hier aber auch erwähnt, dass in Geschäften, in denen Socken den Gegenwert einer Monatsmiete haben, der Prozess des Erjagens meist nicht notwendig ist, denn dort trifft man sehr oft auf eine invertierte Gemengelage: Das Verkaufspersonal jagt die Kundschaft. Zurück zum Standartszenario: Hat man denn einen solchen Verkaufsverantwortlichen erspäht und stellt die Eine-Million-Euro-Frage („Haben Sie Artikel X in der Größe Y?“) verhält es sich nicht so, dass dieser einem freudestrahlend zum Objekt des Interesses führt. Nein, normalerweise wird dann grob in eine Himmelsrichtung gewedelt und die Weisheit „Da müssen Sie mal da drüben schauen“ in einer ihrer vielfältigen Abwandlungen paraphrasiert, der Kunde muss ja schließlich seine Jagdinstinkte trainieren. Also „schaut“ man und wird in den meisten Fällen nicht fündig, bzw. scheitert an der nicht erkennbaren Logik der Warenorganisation. Eilt man nun zum Verkaufenden zurück folgt in der Regel der Satz „Wenn’s nicht da rumliegt/hängt/steht/fliegt, dann haben wir es nicht mehr.“ Vom Kunden wird dann in dieser rituellen Choreografie eine Frage wie „Und wann bekommen sie das wieder?“ oder „Haben Sie etwas vergleichbares auf Lager?“ erwartet, die im allgemeinen mit „Nein“ oder „Kann ich Ihnen nicht sagen“ beantwortet wird nur um dann proaktiv vom Verkaufsschergen mit „Schauen Sie doch mal online nach, da haben wir meistens noch mehr!“ ergänzt zu werden. Dass ist dann genau dem Moment, wo einer Person des dynamischen Kunden-Duos, nämlich namentlich mir, die Hutschnur reißt. Diese versalzene Situation lässt sich allerdings Verkäufer-seitig noch ein wenig nachwürzen, nämlich auf die Frage, ob man es denn in der Filiale oder im Laden bestellen und auch dorthin liefern kann, zu antworten „Nein, dass können sie sich dann nur nach Hause liefern lassen.“ mit dem nicht ausgesprochenen metaphysischen Kontext „Die Versandgebühren müssen sie natürlich auch zahlen.“
Dies waren und sind die Momente, wo das letzte bisschen Empathie für den Einzelhandel in mir stirbt, denn die hier geschilderten Abläufe sind nicht die Ausnahme, sie sind DIE REGEL!
Lieber Einzelhandel, ich gehöre garantiert nicht zu denen, die von unkontrollierten Konsumanfällen geplagt werden, aber manchmal möchte ich Waren tatsächlich JETZT einkaufen, jetzt an- und ausprobieren und wirklich nur EINMAL wieder ein Erfolgserlebnis bei einem Einkaufsbummel haben. Aber wisst Ihr was: So langsam könnt Ihr mich wirklich am Tüffel tüten, denn googeln kann ich selber und das vermutlich sogar deutlich besser als die meisten Eurer Verkäufer. Wenn ich mich ins Auto oder in die Bahn setze und meine Lebenszeit investiere (ja, im Einzelhandel einkaufen bedeutet auch zeitlichen und logistischen Aufwand auf Käuferseite), dann ist die Menge an Fehlversurchen, bei denen ich es als akzeptabel erachte mit leeren Händen, Taschen, Kofferräumen zurückkomme, beschränkt. Und die Kompetenz und Kundenorientierung Eures Verkaufspersonals wiegt dieses Defizit nicht auf, denn wenn es nichts gibt, was sie mir verkaufen können, dann hilft das nicht. Und keine Kompetenz oder Kundenorientierung hilft noch weniger. Sicher kann man nicht alles auf Vorrat haben, aber prinzipell alles, was sich nicht in rauhen Mengen verkaufen lässt, in die eigenen Online-Shops abzuschieben, beraubt Euch, lieber Einzelhandel jeglicher Existenzberechtigung. Denn dann macht es keinen Unterschied mehr, wo ich bestelle und dann nehme ich einfach den Händler, der es mir am Einfachsten macht. Und jetzt ratet mal, lieber Einzelhandel, wer das sein könnte.
Und jetzt? Nur destruktives Herummeckern oder auch konstruktive Kritik? Eigentlich ist es ja ein AdRantsKalender™ und niemand bezahlt mich dafür, hilfreiche Hinweise an Unternehmen zu liefern, sonst müsste ich ja, Thor bewahre, für McKinsey oder so arbeiten. Aber vielleicht mal in die grobe Himmelsrichtung gewunken („Schauen Sie mal da hinten nach, ob Sie was finden“): Ich habe mal vom Onkel einer entfernten Tante derer bester Freundin gehört, dass es auch anders geht: Da gibt es so Floskeln wie „Lassen Sie mich mal schauen, ob wir noch was ähnliches auf Lager haben“, „Ich kann ihnen mehrere Größen/Farben/etc. hierher bestellen und sie können das dann hier ausprobieren.“, „Kommt in drei Wochen wieder rein, wollen Sie benachrichtig werde oder sollen wir Ihnen direkt eines zurücklegen“, „Warten Sie mal, ich glaube, wir haben noch ein Ausstellungsstück!“, und so weiter und so fort. All das wären Stärken, welcher der Einzelhandel zu seinem Vorteil nutzen können. Aber wer nicht will, der hat halt Amazon…oder wie diese Sprichwort auch lauten mag.