Lehrjahre sind keine Herrenjahre – so sagt man jedenfalls. Auch mir sollte nach dem ersten Hoch und den ersten Schritten in meiner neu entdeckten Sportart die Weisheit dieser Sentenz vor Augen geführt werden.
Nach den kleinen Erfolgen beim Quarterman wurden die Ziele für das erste große Event, den Frankfurt City Triathlon, natürlich nach oben geschraubt. Von einer Zielzeit zwischen 2:45h und 2:55h sollte keine Rede mehr sein, vielmehr wollte ich die 2:30h angreifen. Die Voraussetzungen, so glaubte ich, hätten dort nicht besser sein können: eine pfannkuchenflache Radstrecke und eine voll asphaltierte Laufstrecke durch die Frankfurter Innenstadt ohne nennenswerte Höhenmeter. In der Realität gestaltete sich dies allerdings ein wenig anders.
War ich von meinen bisherigen drei Teilnahmen an Triathlonveranstaltungen eher eine unkomplizierte Organisation gewöhnt, so entwickelte sich diese in Frankfurt zu einem ernsthaften Marathon. Freitag Nachmittags galt es die Startunterlagen so wie die Wettkampfbesprechung in der Frankfurter Börse mitzunehmen, Samstags sollte das Rad eingecheckt und für Sonntag musste noch der An- und Abtransport organisiert werden.
Die erste ernüchternde Überraschung erfolgte beim Einchecken des Fahrrads am Samstag Nachmittag. Dass es sich bei der Wechselzone nicht um den üblichen Irrgarten aus Eisengestellen und Bikes handeln würde, war uns bereits im Vorfeld (oder spätestens nach der Wettkampfbesprechung) klar. Aber das der Weg vom Wasser zum Bike eher die Länge einer Laufstrecke bei einem Jedermann-Triathlon entsprach, ernüchterte schon – vor allem als in mir die Erkenntnis reifte, dass ich eine hierfür entscheidende Fähigkeit im Training und in der Wettkampfvorbereitung überhaupt nicht trainiert hatte: das Aufsteigen auf das Rad mit bereits an den Pedalen eingeklinkten Schuhen.
Dies sei dem Sportunkundigen kurz erklärt: Die Wettkampfordnung will es, dass die Radschuhe entweder direkt am Rad fest eingeklinkt in der Wechselzone warten, oder das diese nach dem Verlassen des Wassers und dem Umziehen an den Füßen zu tragen sind. Ein Mitführen der Schuhe in den Händen führt umgehend dazu, vom Kampfrichter ins Umkleidezelt zurückgeschickt zu werden (gerne auch kurz bevor man das eigene Rad erreicht hat).
Ich entschied mich konsequenter Weise für die Variante des Holzschuhtanzes (einen halben Kilometer mit Radschuhen über Stock und Stein holpern) um der möglichen Peinlichkeit vorzubeugen, mich vor versammelter Zuschauerschaft beim Versuch mit bereits eingeklinkten Schuhen auf mein Bike zu steigen, ausgiebig lächerlich zu machen. Ein von einem solchen Sturz angekratztes Ego dämpft die Motivation in diesem Moment doch ganz ungemein.
Nachdem am Samstag auch das Transport-Problem gelöst war (vielen Dank nochmal an Tonys Bruder, der uns von hinten durch die kalte Küche an den Langener Waldsee gefahren hat) standen wir (Tony und ich) also am Sonntag Morgen bereit, uns in das Getümmel und auf die insgesamt 56,5 Kilometer zu werfen.
Bei einer offiziell gemessenen Wassertemperatur von 21,9°C (Neo erlaubt) fand ich mich recht schnell in einem Haufen Wurstpellen-Schwimmern wieder. Da meine persönliche Temperatur-Schwelle für das Anlegen der Pelle bei 19,9°C liegt, gehörte ich auch an diesem Tag zu der kleinen Randgruppe der “fast nackig” Schwimmer. Zum Start wurden die “Hells Bells” von AC/DC geläutet und ab ging es in die Waschmaschine – 1,5 km im Langener Tümpel. Hier gewann ich die Erkenntnis, dass sich das erste Motivationsloch bereits nach 200-300m einstellen kann. Im Gegensatz zum Schwimmen im Becken liegen die Orientierungspunkte weit auseinander und wollen auf den ersten Metern auch nicht wirklich näher kommen (“Wie, noch 5 mal die gleiche Strecke???”). Es galt also für mich, meinen Rhythmus zu finden und mich aus der Gruppe freizuschwimmen um möglichst die obligatorischen Unterwasserkämpfe zu vermeiden. Nach 700m war dann der Rythmus und die Motivation da und ich konnte mein Tempo bis zum Ende durchschwimmen – sogar das ein oder andere Temposcharmützel konnte ich mir erlauben.
Der Ausstieg gelang gut, mein selbst deponierter Wechselbeutel war schnell gefunden und ab ging es ins Umkleidezelt. Da ich mir den Neo erspart hatte, galt es für mich nur die Socken und Radschuhe anzuziehen, die Schwimm-Utensilien im Beutel zu verstauen und diesen in der “Drop-Off” Zone abzuwerfen. Es folgte der besagte “Holzuschuhtanz” bei dem ich mir schwor, dass ich in der nächsten Saison definitiv das professionelle Auf- und Absteigen auf das Rad in meinem Trainingsplan einbauen würde.
Erstaunlicher Weise erwies sich die eigentlich so flache Radstrecke als gefühlt gar nicht so flach. Nach Höhenprofil sollte es die ersten 10 km über die Kennedy-Allee nach Sachsenhausen kontinuierlich leicht bergab gehen. Dem war subjektiv nicht so. Vielmehr hatte ich es vorher noch nie als so anstrengen empfunden, nur kerzengeradeaus zu fahren. Erst nach 15 km kam die Beine langsam in Tritt und sollten es irgendwie noch schaffen, einen Schnitt von fast 35 km/h auf die 45 km auf den Asphalt zu pedalieren.
Der abschließende 10 km Lauf brachte die Erkenntnis, das die Frankfurter Innenstadt einfach kein Ort für mich ist, an dem ich gerne renne. Häuserfassaden sind eintönig und nicht nur die Kaugummi-Reste auf den Kacheln der Zeil lassen sich die Strecke in eine unendliche Länge ziehen.
Mein Ziel, die gesamte Distanz unter 2:30h zu laufen, habe ich um 10 Minuten verfehlt.
Nach dem ersten Frust und einer etwas nüchterneren Betrachtung des Ganzen kann ich aber im nachhinein trotzdem sagen, dass der Wettkampf mehr positive als negative Eindrücke bei mir hinterlassen hat. Es gab viel zu lernen für zukünftige Vorhaben und objektiv gesehen war weder die Zeit noch die Platzierung im ersten Drittel der Gesamtwertung wirklich schlecht. Ob ich noch einmal bei dieser Veranstaltung antreten werde sei dahin gestellt – dafür hat mich die Atmosphäre einfach nicht genug gepackt.
Es ist einfach eine Tatsache, dass beim Triathlon nicht alleine die Distanz über die Zeit entscheidet. Die Rahmenbedingungen wie Wetter, Wechselzone, Gelände und Mitstreiter sind einflussreiche Faktoren bei der Jagd nach der eigenen Bestzeit und nur, weil diverse Wettkämpfe die Streckenbezeichnung “Kurzdistanz” oder “olympische Distanz” verwenden, heißt das noch lange nicht, dass sich diese Wettkämpfe auch nur annährend gleichen müssen.
Anmerkung: Auch beim letzten Wettkampf der Saison in Rodgau habe ich die angepeilte Marke von 2:30h wieder knapp um 3 Minuten verfehlt. Ärgerlich aber nicht tragisch. Noch nicht erreichte Ziele halten die Motivation hoch – und wer weiß, vielleicht erreiche ich eben diese in der nächste Saison als “Nebenprodukt” meines Weges zur Mitteldistanz.