Ein Ratgeber für Ratgeber…

Ein Phänomen, welches vermutlich zur bibliographischen Landschaft gehört, seitdem die ersten Symbole in in irgendwelche Höhlenwände geritzt wurden, sind die (oder auch) so genannten Ratgeber in denen man mannigfaltige Hilfestellung(en) zu allen möglichen und in näherer Vergangenheit viel öfter auch zu unmöglichen Themen fand und findet. Doch momentan (und aus aktuellem Anlass) erscheint mir dieses geradezu inflationäre Ausmaße anzunehmen.

Das es Ratgeber (und offenbar auch Nehmer) in und für jedwede Couleur gibt ist denke ich hinlänglich bekannt. Auch die teilweise eher skurrilen Auswüchse, welche die herstellende Industrie diesbezüglich auf ihre potenzielle Kundschaft losgelassen hat, sind dank multimediale Vernetzung hin und wieder für einen Lachanfall oder doch zumindest für zweifelndes Kopfschütteln gut. Man denke hier an so grandiose Titel aus der “…für Dummies“-Reihe, wie “Sex für Dummies”, “Familientherapie für Dummies” oder “Manisch Depressiv für Dummies”.

20913454z WILEY VCH WEINHEIM GERMANY WILEY-VCH WEINHEIM, GERMANY

Davon abgesehen, dass gerade diese Titel semantisch doch eher zum Grinsen einladen, sei einfach mal dahin gestellt, ob das Konzept dieser Machwerke für die genannten Themengebiete wirklich passend und zutreffend ist.

Was mich aber bei meinem letzten Besuch (also Heute) in einer Filiale einer einschlägig bekannten Großbuchhandelskette aber wirklich zum Grübeln brachte, war die inzwischen fast schon gegen Unendlich gehende Menge an eben solchen Druckerzeugnissen.
Am Eingang stieß ich in der Abteilung “Empfehlungen” auf “Ratgeber für Laktoseintoleranz”, “Ratgeber für Histaminintoleranz” und “Ratgeber für Fruktoseintoleranz”, gleich neben einem Ratgeber für alle sonstigen Lebensmittelunverträglichkeiten. Eine genauere Betrachtung brachte zu Tage, dass es sich jeweils mehr oder weniger um recht dünne Kochbücher mit rat-gebendem Anteil für jeweils 20€ handelte. Dem geneigten und darüber hinaus kritischem Kunden mag die Frage durch den Kopf gehen, ob es nicht auch ein einziges Buch zum Thema “Kochen bei Lebensmittelunvertäglichkeiten” getan hätte.

Wie auch immer…
Nachdem ich an einem an nachfolgender Stelle sogar erwartetem Regal und einer Auslage mit Büchern von allenfalls bei dem kläglichen Versuch hochklassig skandinavische Kriminalliteratur zu kopieren gescheiterter deutscher Autoren vorbei schritt, sah ich es schon kommen: Das Ratgeber-Armageddon…

Ein Tisch mit mindestens 40 handgezählten unterschiedlichen Machwerken zu den Themen fleischlos und vegan, gleich neben einer Auslage von einer ähnlich großen Anzahl an Büchern über Yoga und seelisches Gleichgewicht. Dann eine erschreckende Menge an “Low Carb”-Ratgebern (die Bücher selber sind vermutlich sogar “Low Carb”) und noch einmal ein gutes Dutzend unterschiedliche Experten-Bibeln über die Themen gesund Laufen und Joggen. Die Liste an Themen zu welchen sich in ähnlich großer Menge vorfinden ließen, ließe sich unendlich fortsetzen: Diäten in allen Variationen, Steuertricks, Erfolgreich im Job und im Privat- und Liebesleben, den Chef übers Ohr hauen, seine Mitmenschen manipulieren, Kinder für die Schule und den Beruf pimpen, etc. usw.

Nimmt man dies alles zusammen, so kommt man ohne zu Übertreiben auf einen Anteil an Ratgebern an der gesamten gehandelten Literatur von mindestens 50%, wenn nicht sogar schlimmer…

Hier stellt sich jetzt dem denkenden Beobachter die nur all zu natürliche Frage: Warum?
Gab es schon immer diese schiere Menge an beratenden Schriftwerken oder glaubt inzwischen jeder dahergelaufene Illustrierten-Journalist, seinen Kolumnen-Blödsinn aus Brigitte, Für Sie und Bild der Frau in Buchform versilbern zu müssen.
Müsste nicht eigentlich in all den Büchern, wenn es sich denn um erprobte und erwiesenermaßen funktionierende Ratschläge handelt, in etwa das Gleiche drin stehen? Und wenn nicht, wie lässt sich die Qualität der Inhalte eben dieser Bücher messen?
Wie viele dieser Machwerke sind eigentlich einfach nur der Versuch, den Inhalt frei zugänglicher Informationen in Form von Beiträgen in Internet-Foren und kostenlosen Webseiten monetär auszuschlachten.
Und schließlich: Müsste es nicht einen Ratgeber dafür geben, wie man den passenden Ratgeber für sein aktuelles Problem findet?

Fragen über Fragen, und nirgends ein Buch, in dem diese beantwortet werden – ein Teufelskreis.

Aber eines steht fest: offensichtlich besteht ein Bedarf an einem Überangebot lebensberatender Literatur. Ansonsten würde diese absurde Menge eben dieser nicht in entsprechenden Geschäften vorgefunden werden können.
Es zeigt aber sehr gut, dass wir langsam aber sicher zu einem Volk verkommen, welches man für Alles und Jedes an die Hand nehmen muss, Menschen, die sich immer weniger zutrauen, auf sich selbst, ihren (vielleicht noch halbwegs) gesunden Menschenverstand immer weniger hören, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten nach und nach verlieren und die Verantwortung lieber in die Hände anderer legen.

Ich habe nichts gegen Ratgeber, nein, in vielen Fällen bieten sie Anreize sich an neue Dinge heranzuwagen oder neue Perspektiven zu erkunden.
Wir sind aber inzwischen an einem Punkt angekommen, wo es dutzendfach niedergeschriebene und unterschiedliche Meinungen und Ratschläge dazu gibt, wie man sich richtig, ergonomisch und ökologisch unbedenklich auf den Lokus zu setzen hat.

Warum verlassen wir uns nicht mehr auf unser Gespür und auf unser eigenes Urteilsvermögen. Warum trauen wir uns nicht mehr zu, selber herauszufinden, was, wie und wo der beste Weg für uns, unseren Körper, unser Essen und unsere Kinder ist?

In diesem Sinne wünsche ich mir deutlich weniger Ratgeber, aber mehr Inhalte, um das Selbstvertrauen in uns und unsere Entscheidungen zu stärken.

 

Making the impossible possible…

Es ist nicht mal ein Jahr her, da hätte ich jedem, der mir vorgeschlagen hätte, 20 Kilometer am Stück zu laufen, den Vogel gezeigt. “Ich kann mit Wasser besser als mit Asphalt” war meine Standard-Aussage Ausrede (als gelernter Schwimmer), vermutlich hauptsächlich mir selbst gegenüber. Nun, nach einem dreiviertel Jahr haben sich völlig neue Perspektiven eröffnet. Meine erste wirklich geplante Triathlon-Saison steht vor der Tür und als kleines Intro zu dem Kommenden möchte ich einfach einige meiner gemachten Erfahrungen hier der Öffentlichkeit zugänglich machen um evtl. dem ein oder anderen aufzuzeigen, was alles möglich ist, wenn man sich nur mal traut, auch etwas zu riskieren.

Fast 20 Kilometer am Stück ohne aus der Puste zu kommen gehört für mich inzwischen in mein wöchentliches Trainingsprogramm. Eigentlich wolle ich letztes Jahr nur meinen bürogestählten Körper, der im Laufe der Jahre als Schreibtischtäter doch einiges seiner einst jugendlichen Eleganz eingebüßt hat, nur wieder ein wenig auf Vordermann bringen. Wenn man als Drehstuhl-Täter arbeitet und nichts für das körperliche Wohlbefinden tut, dann kommt unweigerlich der Punkt, wo der Kredit, den man sich in seinen jungen Jahren als Schwimmer aufgebaut hat, aufgebraucht ist und man die gesamte Summe samt Zinsen zurückzahlen muss. Es ist erstaunlich, an welchen Ecken und Enden die menschliche Anatomie zu rattern und knarren anfangen kann.

Folglich war die Entscheidung, mal so ein paar Kilometer zu laufen, um vielleicht einige Kilos wegzubrennen und die interne Maschine mal wieder durchzulüften, nur folgerichtig. Nach einem ersten Versuch vor zwei Jahren, welcher grandios an zu hoch gesteckten Zielen, falschen Schuhen und einem dezent zu hohen Körpergewicht, welches beim Laufen auf die Knie und die Füße schlug, scheiterte, begann Mitte letzten Jahres der zweite Versuch. Anfangs nur mit Zielen wie den JP Morgan Chase Lauf und die 5 Kilometer Staffel beim Ironman Nightrun halbwegs mit Anstand durch zu laufen, nahm das ganze Unternehmen eine fatale Wendung mit der Aufforderung seitens meiner Schwester und meines Schwagers, mich für einen Volkstriathlon zu melden.

b969559c233c727a105380deec5c1f28

 

Noch bevor ich mich versah, tauchte mein Name auf der Meldeliste für den Rodgau-Triathlon auf, welches gleichzeitig mein zerebrales Motivationszentrum auf den Plan rief. Vielleicht sollte ich erstmal austesten, ob ich überhaupt (noch) in der Lage war, 400 Meter zu schwimmen, irgendwie 14 Kilometer am Stück Rad zu fahren und dann noch 4-5 Kilometer durch den Wald zu rennen.

Also hieß es ab aufs Rad, und im Schwimmbad mal wieder (nach vielen Jahren) 16 Bahnen ab Stück schwimmen. Nach einem ersten Rad-Versuch, der mir sowohl zeigte, dass man einerseits auch bei einem kurzen Halt an der Ampel mit einem Wadenkrampf einfach vom Rad fallen (sicher zur Erheiterung der anwesenden Autofahrer) aber durchaus eine solche Distanz am Stück bewältigen kann und vor allem, das Radfahren einfach nur Laune macht, war die erste Entscheidung gefallen: Das ganze musste ausgebaut werden. Zudem verfing sich meine Badezimmer-Waage in einem konstanten Abwärtsstrudel und aus den anfänglich angepeilten 5 kg Gewichtsreduktion wurden bis heute mehr als 20.

Konsequenter Weise wurde die Konzentration aus Sportequipment in unserem Kleiderschrank kontinuierlich erhöht und noch bevor sich meine Holde versah, versperrte ihr ein schniekes Rennrad den freien Zugang zu unserem Keller. Plötzlich gab es wieder mehr als nur eine (Spaß-)Badehose in meiner Schwimmtasche und die Garderobe wurde um ein paar Laufschuhe erweitert.

Aus ein paar Kilometer Geschleiche durch den Wald wurden über kurze Zeit sechs, siebe oder acht Kilometer-Runden mit sich stetig verbesserndem Kilometerschnitt.

Aber das wirklich Beeindruckende in dieser Phase war, zu erfahren, wie sehr man seinen Körper doch durch gezieltes Training weiter bringen kann und das es möglich ist, jenseits seiner bisher für unverrückbar geglaubten Grenzen zu agieren.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Rein sportlich waren das alles unterdurchschnittliche Leistungen, aber psychisch war es der Grundstein von dem, was mich bis heute motiviert – die Erkenntnis, dass es möglich ist, seine für fundamental gehaltenen körperlichen und mentalen Limits zu überwinden.

10585487_940714665954209_852972999_n

Vermutlich werde ich in meinem Leben nicht in der Lage sein, irgendwann einen Marathon unter drei Stunden oder einen Ironman unter 10 Stunden zu finishen. Das ist aber auch gar nicht das Entscheidende…

Ich habe auch nicht daran geglaubt, dass es möglich ist, in weniger als einem Jahr 20 kg abzunehmen oder dass ich jemals einen Halbmarathon laufen könnte. Das eine Ziel ist bereits erreicht (inklusive aller für mein Alter schädlicher Nebenwirkungen wie “Schatz, sind das die letzten Fettröllchen oder ist da Haut zu viel….” – Grummel…Ich bin nicht mehr Mitte 20, da brauchen die epidermischen Strukturen schon etwas länger um nach rapidem Gewichtsverlust Spannkraft zu entwickeln) und der Halbmarathon ist eigentlich nur Formsache.

Schon erwische ich mich dabei, über größere Ziele nachzudenken: Wann kommt im Triathlon die erste Halbdistanz, werde ich es doch noch schaffen, einen Langdistanz zu laufen und melde ich doch noch dieses Jahr für den Frankfurt-Marathon (Danke Tony), etc. pp.?
Alles Dinge, die ich für mich immer kategorisch ausgeschlossen habe – genau bis zu dem Tag, als ich zu der Erkenntnis gelangte, dass die einzige Barriere, die es zu überwinden gilt, in unseren Köpfen existiert. Wir trauen uns selbst zu wenig zu und finden bereits vorher die Gründe, warum wir scheitern (könnten).

 Ich habe mir jahrelang selbst eingeredet, nicht laufen zu können: Im Kern ist das vermutlich sogar richtig, ich werde niemals ein Top-Langstreckenläufer, welcher den Marathon unter drei Stunden bewältigt. Aber auf der anderen Seite steht, dass ich vermutlich die 10 Kilometer schneller laufen kann, als 85 – 90 Prozent aller meiner Mitbürger (von dem Fakt, dass die Meisten bereits bei dem Gedanken an eine Strecke von mehr als 5 km schon streiken würden, mal abgesehen).
Der einzige Grund hierfür ist: Ich habe riskiert es zu probieren und mehr gelernt als nur über die eigenen (bisher vermuteten) Grenzen hinaus zu gehen.

 Was also ist die Quintessenz des Ganzen: Es geht nicht um Sport allein, es geht darum, seine eigenen Limits stetig zu pushen. Ich  bin mir ziemlich sicher, die positiven Überraschungen werden die negativen Erfahrungen, welche man dabei machen wird, bei weitem übertreffen. Wenn man dabei den Satz “Wenn Du etwas machst, dann mit Würde” nicht außer Acht lässt, kann man dabei nicht verlieren.

Ich jedenfalls freue mich auf das, was dieses Jahr auf mich zukommt und was danach noch folgen wird.