Wie man sich einen Klimawandel ergoogelt

Ich gebe zu: die gewählte Überschrift ist wohl provokant, zumindest in der heutigen Zeit. Der Leser mag angesichts dieser Formulierung schon wieder an Fake News, alternative Fakten und Klimawandelleugnung denken und bereits die argumentative Artillerie in Stellung bringen, um das hier geschriebene in Stücke zu schießen. Mit diesem Beißreflex muss man heutzutage wohl leben, von daher möchte ich dem geneigten Rezipienten von vorne herein versichern, dass es genau darum nicht geht. Also dreimal tief durchatmen und sich dann einer vielleicht noch viel unbequemeren Wahrheit stellen…

Der diesjährige Klimagipfel ist noch nicht einmal richtig Geschichte und schon überschlagen sich auf sozialen Plattformen, Foren und Blogs wieder Beiträge zur unmittelbar morgen früh eintretenden Klimapokalypse. Der Tenor ist allgemein bekannt, die Menschheit hat es mal wieder verkackt und wenn wir nicht innerhalb von 24 Stunden sämtlichen CO2-Ausstoß im Kern ersticken (hoho), werden wir alle untergehen. Da wird dann stolz und im Brustton der Überzeugung runtergebetet, zu welchem Verzicht man doch alles bereit ist und wie man sich doch selber geißelt um dem Klimawandel entgegenzuwirken (sinngemäß: “Ich unterstütze die Massentierhaltung nicht, ich bestelle meinen hochqualitativen Schinken in Spanien bei einem Spezialitätenversandt” – ist klar, merkste selber, oder?). Richtig absurd wird es dann, wenn solche Diskussionen zum Beispiel in einem Triathlon-Forum geführt werden, wo sich Menschen rum treiben, die wohl rein vom ökologischen Fußabdruck her eine der am wenigsten umweltfreundlichen Sportarten schlechthin ausüben dürften (man fliegt in Trainingslager, lässt sich High-End-Gadgets aus aller Welt herbeischiffen und über den Footprint der Logistik eines Ironman- oder Challenge-Rennen möchte ich gar nicht erst nachdenken).
Natürlich sind die primären Klimasünder sofort ausgemacht: Flug- und Schiffsverkehr, zunehmender Autoverkehr (und natürlich ganz besonders die bösen SUV-Fahrer), Massentierhaltung und die Verweigerung vegetarischer Lebensgewohnheiten, die Weigerung schneller aus der Kohlekraft aus zusteigen, etc. pp… Den meisten Lesern dürfte diese Aufzählung geläufig sein. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht anzweifeln, dass hinter all dem einiges an Wahrheit steckt, jedoch leider auch mal wieder eine gehörige Portion Bigotterie.

Es wird nämlich gerne vergessen, dass man zum diskutieren und weltverbessern sich gerade selber eines ökologisch hoch brisantem Mediums bedient. Und auf dieses wollen wir alle wohl nicht mehr verzichten. Smartphones, Tablets, PCs, Social Media, Blogs, Foren und vor allem (Google) Suchanfragen – all dass sind Dinge die Datenverkehr produzieren und dies nicht zu knapp. Und auch wenn der Datenverkehr die Treibhausgase nicht direkt in die Atmosphäre bläst, so ist er doch aktuell für den Ausstoß von etwa 2% des Gesamtvolumens eben dieser verantwortlich (Every Google search results in CO2 emissions. This real-time data viz shows how much).
Das hört sich überschaubar an, ist aber in etwa die gleiche Menge, die auch die gesamte Luftfahrtindustrie pro Jahr produziert. Prognosen für die kommen Jahre gehen davon aus, dass dieser Ausstoß mit weiterhin zunehmender Digitalisierung sich auf 3-4% erhöht. Das wäre eine Verdoppelung und da schafft es dann nicht mal der Flugverkehr trotz optimistischer Wachstumsprognose mitzuhalten. Da mutet es schon ein wenig absurd an, dass man in Firmen gerne die Videokonferenz als ökologisch probates Mittel gegenüber dem persönlichen Meeting und den damit verbundenen Reiseaufwänden propagiert.
Das mag auf den ersten Blick eventuell sogar richtig sein, die Tatsache dass das scheinbar ökologischere Modell dann aber gedanken- und bedenkenlos wesentlicher extensiver genutzt wird (gefühlt hängt man heutzutage bei großen Unternehmen ja in Dauer-Skype- oder Videokonferenzen) zeigt halt doch wieder recht deutlich ein Muster, auf dass wir immer und immer wieder reinfallen: Wenn es zu abstrakt wird oder die Konsequenz es erfordert, eine Ecke weiter als üblich zu denken, sind wir im Allgemeinen überfordert.
Der Strom kommt eben nicht aus der Steckdose und nur weil etwas elektrisch und nicht mit Verbrennungsmotor (oder ähnlichem) betrieben wird, ist es nicht automatisch ökologisch und schon gar nicht klimaneutral. Indirektionen, die abstrakte Ideen wie Datenströme auf Umweltbelastung abbilden, sind dann für viele überhaupt nicht mehr zu begreifen und die Tatsache, dass das normale monatliche Google-Verhalten oder auch der Klick auf den Facebook-Like-Button dafür ausreicht, das Schadstoffäquivalent einer Autofahrt von ein bis zwei Meilen zu produzieren, lässt am Ende wohl die Synapsen eines jeden radikalen Umwelt-Radlers kollabieren.

Was heißt dass also im Umkehrschluss?
Letztendlich doch nur folgendes: Dieses andauernde Finger-Pointing auf die vermeintlich Schuldigen, dass ständige Isolieren, Runterbrechen, Simplifizieren auf scheinbar Offensichtliches, hilft in dieser ganzen Diskussion nur bedingt. Es sind nicht die Flugreisenden oder die Schiffsfahrenden, nicht die Diesel- oder SUV-Fahrer, die Fleischesser oder die Touristen, auf die man zeigen kann, weil man selber glaubt, alles richtig zu machen, während man seinen moralisierenden Beitrag für Facebook oder sonst eine Plattform verfasst. Wir könnten genauso gut einfach das Datenvolumen, dass einem Nutzer im Monat zusteht auf einen Gigabyte oder weniger reduzieren (inklusive Musik- oder Video-Streaming), die Anzahl der Suchanfragen, überhaupt die Anzahl der datenkonsumierenden- und produzierenden Geräte pro Haushalt und pro Unternehmen (was dann natürlich wieder zu einem erhöhten Datenaustausch über analoge Wege führt – Post, Auto, Dienstreisen, was dann wiederum…usw. usf.)
Da ist dann dass Geschrei aber auch wieder groß (erstaunlicherweise meistens auch von denen, die ansonsten gerne den Verzicht predigen), meistens mit dem Hinweis und großen Klagelaute über die Tatsache verbunden, dass Deutschland ja sowieso digitales Brachland ist, weil wir es nicht mal schaffen, flächendeckende Mobilfunktnetzabdeckung mit Highspeed-Internet anzubieten. Irgendwie schon sehr verlogen, oder?

Es ist nicht damit getan, dass wir nur verlangen auf dieses zu verzichten und jenes abzuschalten oder abzuschaffen (vorzugsweise natürlich immer das, was uns selber am wenigsten stört und am wenigsten beeinträchtigt). Genauso wenig können wir verlangen, dass andere ihr Streben nach dem gleichen Lebensstandard, wie wir ihn haben, aufgeben. Es ist immer einfacher Verzicht genau dann zu üben, wenn man bereits viel hat.

Was bedeutet das am Ende? Vermutlich nur, dass wir die Büchse der Pandora so erstmal nicht mehr zubekommen. Nicht damit, dass ständig bei irgend welchen Klimakonferenzen irgend welche abstrakten Ziele mit teilweise wüst aktionistischem Handeln eben nicht eingehalten werden können. Auch nicht damit, dass wir die Moralkeule schwingen und glauben, dass wir bei unserem Handeln die Übersicht haben, welche Folgen es für wen oder was hat. 
Hätte ich eine Lösung für dieses Problem, dann würde ich nicht hier sitzen und diese Zeilen schreiben. Vielleicht müssen wir auch einfach mal hinnehmen, dass wir jetzt aktuell und in diesem Moment noch keine Lösung gefunden haben, wie wir  mit dem Klimawandel umgehen sollten. Das einzige was ich weiß ist, dass die Antworten auf die komplexen Fragen eben nicht so einfach sind wie “E-Auto, Fleisch-Verzicht, Ökostrom”, denn wenn man sich immer nur auf das scheinbar Offensichtliche konzentriert, rutscht einem vielleicht auch mal die nicht ganz so offensichtliche Antwort und damit eine mögliche Lösung durch die Finger.

In diesem Sinne,
be responsible and think before you google…

Wie man eine Sicherheitslücke erzieht

Früher einmal, in einer Zeit, an die ich mich nur noch vage zu erinnern vermag, sagte man als Kind bei seiner ersten Begegnung mit einem Erwachsenen “Guten Tag” oder “Hallo”. Nun, dies scheint mir heute nicht mehr der Fall zu sein. Aus nächster Nähe, sozusagen aus der Ego-Perspektive, durfte ich der Tatsache gewahr werden, dass eine gängige, nun scheinbar weithin akzeptierte Begrüßungsformel lautet: “Wie ist denn Euer WLAN-Passwort?” Eben diese Sentenz verstörte mich doch nachdrücklich auf Ebenen diversester Art und so fühle ich mich, auch wenn diese Begebenheit schon ein paar Wochen zurück liegen mag, genötigt, hier ein paar Worte an die Leserschaft vor den Empfangsgeräten zu richten.

Ignorieren wir an erste Stelle einfach die Tatsache, dass jedes Kind einen prinzipiell heutzutage erstmal duzt, sogar das eigene. Dies ist wohl so und wird in diversen Erziehungseinrichtungen dem Nachwuchs auch nur partiell abgewöhnt, hat aber den Vorteil, dass man sich als Angesprochener nicht mehr ganz so alt fühlt. Sei es wie es sei, Etikette soll nicht der Kernpunkt dieses Textes sein, wohl aber ein anderes besorgniserregendes Phänomen unserer aktuellen Gesellschaft, nämlich der wohl immer weiter reichende digitale Analphabetismus der heutigen Generation an Kindern und wohl auch derer Eltern.
Über die Frage, ob ein/e 10-jährige/r wohl unbedingt ein Tablet oder ein eigenes Smartphone benötigt, ließe sich ja noch vornehmlich streiten, über die Tatsache, dass in Grundschule diese während des Unterrichts vom Lehrern eingesammelt werden müssen, weil die lieben Kleinen sich eher mit Whatsapp beschäftigen als mit den Grundrechenarten, meiner Meinung nach nicht mehr. Ich möchte an dieser Stelle nur am Rande darauf hinweisen, dass unter 14-jährige 90% des Angebotes an Apps und Funktionen, welche auf mobilen Gerätschaften zu finden sind, nicht nutzen können, ohne dabei gegen irgend welche Geschäftsbedingungen und Benutzerrichtlinien zu verstoßen. Aber natürlich, wer liest sowas schon und welchen Verziehungsberechtigten interessiert es wirklich.

Es wird uns mit gar schöner Regelmäßigkeit aus diversesten Medien vorgesungen, dass die heute heranwachsende Generation die wahren “Digital Natives” sind oder sein werden, also die Generation, die die digitale Welt und deren Werkzeuge quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen haben, die das digitale Neuland für sich komplett erobern werden. Nun, an der Stelle möchte ich diverse Zweifel anmelden: In der Tat bekommen Kleinkinder heutzutage quasi schon direkt nach der Geburt das Tablet in die Hand gedrückt und die dazugehörige Wischbewegung gehört heute schon im Kindergarten zu den motorisch am ausgeprägtesten Fähigkeiten, allerdings vergisst man bei allem Enthusiasmus, dass es sich bei all diesen wunderbaren Gerätschaften eben nicht um Spielzeuge handelt, sondern um Werkzeuge, die bei unsachgemäßen Gebrauch nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern und das gesamte Umfeld in teilweise recht schmerzhafte Unannehmlichkeiten stürzen können.

Kommen wir noch einmal zu meinem anfänglich zitierten “Guten-Tag”-Substitut zurück, denn diese besagte Frage nach dem WLAN-Passwort enthält eine ganze Menge mehr metaphorischen Sprengstoff, als der Leser auf den ersten Blick einzuschätzen vermag.
Zuerst einmal zeigt es, dass das Kind wohl nicht mit grundlegenden Kenntnissen zur Sicherheit beim Betrieb dieser digitalen Gerätschaften vertraut gemacht wurde, denn ansonsten wüsste es, dass man nicht einfach eine fremde Person nach dem Passwort für das dortige hauseigene Netzwerk fragt. Jeder von uns würde an der Erziehung eines Kindes zweifeln, dass bei einem zu Besuch kommt und direkt danach fragt, ob es sich den Haus- oder Briefkastenschlüssel ausleihen darf. Die Erwartungshaltung, dass jemand an sich völlig Fremdes mir Zugang zu einem System überlässt, über dass derjenige Bankgeschäfte tätigt, seine Korrespondenz abwickelt, etc. pp. zeigt, dass diesbezüglich keine Kompetenz vermittelt wurde.
Nun wird sich der ein oder andere Leser sich darüber mokieren, dass ich von einem 10-jährigen Kind solche Kompetenzen noch nicht erwarten darf. Dem kann ich nur entgegen halten: “Doch!”, und zwar dann, wenn ich diesem Kind ein Werkzeug in die Griffel drücke, dass diese Kompetenzen erfordert. Keiner von uns würde auf die Idee kommen, einem Kind die Kreissäge ohne Aufsicht in die Hände zu legen oder es ohne entsprechende Einweisung und Vorsichtsmaßnahmen mit Roller oder Fahrrad im Straßenverkehr fahren zu lassen. Aber die Gefahren, welche für Kinder vom unbeaufsichtigten Gebrauch von Smartphones, Tablets und ähnlichen Gerätschaften ausgehen, werden doch recht gründlich ignoriert, bzw. nicht wahrgenommen. Diese Geräte sind ständig mit dem Netz verbunden und die wenigsten Erwachsenen sind heutzutage in der Lage zu erkennen, wann und wie sie bei der Benutzung dieser Technologien in Probleme geraten könnten und noch weniger sind in der Lage ein solches Gerät so zu konfigurieren, dass sie “kindersicher” werden. Diese Geräte besitzen bekannter Maßen GPS und Kameras, können auf unterschiedlichste Art gewollt oder auch ungewollt von Außen kontrolliert werden. Das Bemalen der Leinwand mit den entsprechenden Schreckensszenarien überlasse ich an dieser Stelle dem Leser.
Um es deutlich zum Ausdruck und auf einen Nenner zu bringen: Diese Geräte sind keine Spielzeuge und das Internet ist kein Spielplatz.

Aber diese “Wie ist denn Euer WLAN-Passwort”-Sentenz erzählt mir, der sein täglich Nutella als Software-Sicherheits-Architekt verdient, noch eine ganze Menge mehr und vor Allem eröffnet es auch dem ein oder anderen digitalen Bösewicht mit schwarzem Hut völlig neue Perspektiven, denn allein das Stellen dieser Frage impliziert, dass es oft genug positive Antworten und somit einen Zugang zu einem fremden Netzwerk gibt.
Das ist für einen potenziellen Angreifer – der ein oder andere mag ja schon mal was von Hackern gehört habe – gar geradezu eine Luxussituation, denn nur ein schlechter Hacker schlägt sich mit dem Knacken von Passwörtern rum, wenn diese vollkommen frei- und bereitwillig vom Besitzer des Netzwerkes in die Welt hinausposaunt werden. Social Engineering per Nachwuchs könnte da die neue große Nummer werden und Junior wird für eine Erhöhung des Taschengeldes (oder für den Besitz eines eigenen Tablets) dazu eingespannt, Passwörter in der Nachbarschaft zu ernten.
Wie dem geneigten Rezipienten auffallen dürfte, ist es in der Breite (wohl aber auch in der Länge) mit der digitalen Medienkompetenz nicht all zu weit her. 

Nehmen wir jetzt mal das Beste an und unterstellen keine bösen Absichten, so bleibt doch trotzdem der bittere Beigeschmack, dass wir uns zwar unter Digital Natives bewegen, dies aber höchstens auf Neandertaler-Niveau. Die heutige Kinder- (und auch die Parental-Generation) nutzen diese Medien, bewegen sich in der digitalen Welt, aber größtenteils ohne die daraus entstehenden Risiken und Konsequenzen zu kennen oder zu erkennen, oder sie werden bewusst ignoriert. Die meisten Whatsapp-Nutzer werden nicht in der Lage sein, diese App so einzurichten, dass sie sie nach der in unserem Land geltenden Rechtslage legal einsetzen können, aber sie tun es trotzdem – weil noch nichts passiert ist…und die Abmahnwirtschaft bisher keinen wirklich hohen Profit daraus erzielen vermag.
Und was die digitale Erziehungskompetenz angeht: Wenn schon die Eltern und der Lehrkörper nur bedingt verstehen, was die Risiken und Nebenwirkungen unserer digitalen Gesellschaft sind, dann empfinde ich diese sorglose Ausstatten des Nachwuchses mit digitalen, netzwerkfähige Accessoires als grob fahrlässig, vergleichbar damit, dem Kind eine geladene Pistole in die Hand zu drücken ohne ihm sagen zu können, wo vorne und hinten ist.
Das Netz vergisst nicht, da draußen tummeln sich jede Menge unappetitliche Dinge und dass ein Kind, welches gerade mal ein zweistelliges Alter erreicht hat, halbwegs distanziert und sicher mit dem umgehen kann, was ihm in sozialen und nicht so sozialen Medien und Netzwerken begegnet, halte ich für absolut weltfremd.
Wir als Erwachsene und sogar wir als Spezialisten auf diesem Gebiet haben es einigermaßen schwer, uns halbwegs schadensfrei durch diese Welt zu bewegen oder auch sie sicherer zu machen, wie können wir da von unseren Kindern erwarten, dass sie in der Lage sein sollten, diesen Sumpf trockenen Fußes überqueren zu können.

Es braucht ein Umdenken, was den Umgang mit diesen Werkzeugen und Medien angeht, von Eltern, von Lehrern und von der Gesellschaft. Jeder sollte sich klar machen, dass, nur weil man sich nicht die Hand mit einem Smartphone abhacken kann, der Umgang damit nicht weniger Verantwortung bedarf, denn die Gefahren sind vielfältig und  mögen teilweise um Einiges bitterere Konsequenzen haben, als eine Fleischwunde.
Jeder sollte sich hinterfragen, ob er selbst die Kompetenz hat, seinem Nachwuchs einen verantwortungsbewußten Umgang mit diesen Technologien zu vermitteln und ebenso die Möglichkeiten, dass Kind dementsprechend technisch zu unterweisen. Wer dies nicht kann, dem sei stärksten angeraten, sich entsprechende Kenntnisse anzueignen, bevor er seinen Nachwuchs auf die digitale Welt loslässt.

Einfach mal über Folgendes nachdenken: Ein verlorenes oder verratenes Passwort kann heutzutage fatalere Konsequenzen haben, als ein entwendeter Hausschlüssel und wir alle weisen unsere Kinder doch oft genug darauf hin, bloß nicht den Schlüssel zu verlieren…oder nicht?

 

Das Wahrheitsministerium warnt: Vorsicht, freilaufende Fake-News

Da ist sie auch schon, die erste politische Sau, die 2017 durchs Dorf getrieben werden kann: Fake-News, der Untergang des Abendlandes und aktuell wohl eine der größten Gefahren für das Allgemeinwohl, welcher sofort und mit gar furchtbaren Konsequenzen gesetzlich begegnet werden muss…sagen einschlägige Politiker.
Und wenn einschlägige Politiker – wie Frau Kühne-Hörmann – so etwas sagen, dann wird es Zeit, mal wieder einen Blick auf das politisch unentdeckte Neuland “Internet” zu werfen.

Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung “manipulativer Kommunikation im Internet”, so schwebt es den Landesregierungen in Hessen, Sachsen-Anhalt und Bayern vor. Darin sind unter anderem der Vorschlag enthalten, das Eindringen in fremde Computersystem auch ohne Verursachen von Schaden unter Strafe zu stellen (oha, welch grandiose Idee), ebenso wie die Verwendung sogenannter Social Bots oder Social Bots-Netzwerken. Wer sich das gesamte Machwerk antun möchte, dem kann hier geholfen werden.
Bisher war ich immer der Meinung, dass ein Eindringen in fremde Computer oder Netzwerke auch so schon eine strafbare Handlung darstellt (§ 202a StGB – Ausspähen von Daten), lag damit aber ein wenig daneben. Wenn man nämlich die Augen zu macht und sich nichts von dem anschaut, was da so auf dem anderen System rum dümpelt, so ist das noch nicht illegal. Will ich das System kompromittieren und für schadhafte Zwecke einsetzen, kommt man aber überhaupt nicht drum herum in irgend einer Form mit irgend welchen Daten auf dem anderen System herumspielen zu müssen, wird sich also auch ohne diese Gesetzesänderung strafbar machen. Und inwiefern diese Idee Fake-News bekämpfen soll, bleibt wohl der Obrigkeit ihr kleines Geheimnis.
Nicht viel anders verhält es sich mit dem unter Strafe stellen der Verwendung von Social Bots in den einschlägigen Netzwerken. Die meisten Sozialen Netzwerke verbieten bereits den Einsatz eben solcher in ihren AGB, wie allgemein bekannt mit riesigem Erfolg [IRONIE OFF]…
Ich habe keine Ahnung, wie sich die hessische Justizministerin oder irgend jemand aus den Kreisen der Neuland-Expeditionsteilnehmer einen Social Bot vorstellt, aber es handelt sich in den meisten Fällen nicht um irgend ein kleines elektronisches Männchen, dass bei einem Fake-News Verbreiter im Keller sitzt und das man beschlagnahmen könnte. Genau genommen ist die Technologie ja nicht einmal irgendwie groß geheim oder gar bösartig, denn auf etlichen Plattformen existieren Social Bots ganz legal und werden sinnvoll eingesetzt, zum Beispiel in Chats zur Unterstützung von Moderatoren, um auf immer wiederkehrende Fragen zu antworten, als technischer Support, etc.
Der Social Bot wird also nur zu einem Problem, wenn er ganz gezielt zur Manipulation eingesetzt wird und strafbar macht sich der “Bot-Herr” auch nur dann, wenn eben diese Manipulation gesetzeswidrig ist.
Von einem technischen Standpunkt aus betrachtet sind diese Gesetzes-Vorschläge also ziemliches Gemüse und dürften darauf begründet sein, dass für die meisten Herrschaften in den Bundes- und Landtagssausschüssen, dass Internet immer noch so ein Ding ist, das  aus einem Kabel in der Wand kommt (wie Fernsehen, nur in beide Richtungen).

Kommen wir zu der viel interessanteren Frage, was eigentlich Fake-News sein sollen, warum sie (angeblich) ein Problem sind und was man dagegen tun könnte.
Die einfachste Form der Fake-News in freier Wildbahn ist wohl die Behauptung einer falschen Tatsache, beliebig mit falschen Quellen gewürzt oder irgendwelchen abstrusen Statistiken oder ominösen Untersuchungen unterlegt.
Auch wenn der Begriff “Fake-News” suggeriert, dass dies ein neumodisches Phänomen aus diesem seltsamen Internet sein soll, so gab es die Fake-News eigentlich schon immer, wenn auch weniger zugänglich, dafür aber auch weniger flüchtig. Seien es Flyer irgendwelcher politischen (oder anderer xyz-) Aktivisten, mit denen man in Fußgängerzonen versucht (hat), Meinung zu machen, Broschüren, Graffitis, gezielt gestreute Gerüchte, die sich dann über Hörensagen verbreitet haben und nachgebrabbelt wurden, fehlerhafte Informationen waren immer Teil in der breiten gesellschaftlichen Meinung.
Durch soziale Medien ist es nur viel bequemer geworden, diese unter das Volk zu bringen. Das mühselige “Handverteilen” solcher Informationen kann jetzt bequem von der Tastatur aus erledigt bzw. automatisiert werden.
Die etwas komplexere Form der Fake-News ist der Fakten-Remix, also das Umordnen oder neu anordnen kontextueller Bestandteile von Nachrichten (man nehme Meldung X, gebe einen ordentlichen Schuss von Statistik Y hinzu und rühre ein paar aus dem Kontext gerissene Zitate glaubhafter Prominenter – zum Beispiel Kabarettisten oder Schauspieler – darunter). Jeder einzelne Bestandteil an sich mag richtig sein, in der Zusammenführung ergeben sie jedoch ein bewusst falsches Bild (Beispiele sind im Brexit- oder Trump-Wahlkampf in Massen zu finden).

Und all dies soll per Gesetzen jetzt unterbunden werden. Stellt sich die Frage: Wie soll das  funktionieren? Ein bisschen weiter gedacht, und schon stellen sich einem die Nackenhaare auf. Technisch mag es möglich sein, Fake-News zu verfolgen und auszusieben. Aber wer gibt die Regularien vor, nach denen solche Meldungen “ausgefiltert” werden sollen, wer überprüft und wer vollstreckt?
Der Schritt zu einem Wahrheitsministerium in welchem Informationen in “ordentlich” und “unangemessen” eingeteilt werden, ist erschreckend kurz.
Wenn man sich vor Augen führt, wie oft ein Beitrag des Postillions für Bare Münze genommen wird, wie oft bewusst satirische Falschmeldungen als “reale” News geteilt werden, dann wird einem sehr schnell klar, an welchen Grundpfeilern hier gesägt wird. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Meldung wirklich als Fake abgestempelt werden kann? Werden die Menschen, die den etablierten Medien sowieso nicht glauben, durch das Unterdrücken von Falschmeldungen und Fake-News plötzlich geläutert und lassen sich überzeugen, dass die Lügenpresse gar nicht so Lügenpresse ist, wie sie es gerne hätten? Ich glaube nicht.

Ich denke, dass hier wie so oft die Katze von der falschen Seite aus gesattelt wird. Anstelle eines Gesetztes zur Bekämpfung von Symptomen wäre es wohl eher hilfreich, wenn sich der eine oder andere Volksvertreter die Frage stellen würde, warum Fake-News in einer solchen Breite auf fruchtbaren Boden fallen.
Allgemein wurde bei vielen politischen Parteien dem Begriff Glaubwürdigkeit maximal ein Nischen-Dasein gewährt. Das die “Was kümmert mich mein Geschwätz von Gestern”-Mentalität irgendwann an ihre Grenzen stoßen würde, ist dabei nur natürlich, ebenso wie die Tatsache, dass es nur zweitrangig ist, was ein Politiker / eine Regierung / eine Bewegung erreicht hat oder auch nicht. Glaubwürdigkeit bekommt man nicht geschenkt, Glaubwürdigkeit muss man sich aktiv erarbeiten.
Fake-News funktionieren aus Mangel an guten Alternativen. Jeder glaubt, was ihm am plausibelsten erscheint und wenn jemand es nicht schafft, seine Informationen glaubhaft zu vermitteln, macht er es den Gerüchtestreuern nur einfacher.
Das sich diverse Ministerien, Behörden, Nachrichtenagenturen und auch die Öffentlich-Rechtlichen gerade in den letzten Jahren nicht immer mit Ruhm bekleckert haben, ist denke ich keine neue Erkenntnis. Sätze wie “Teile der Antwort würden die Bevölkerung verunsichern” oder Meldungs-Desaster wie die letztjährige Kölner Silvesternacht mit all dem Vor- und Zurückgerudere sind da nur die Spitze des Eisberges. Gute und qualitativ hochwertige Inhalte sind wichtig, aber man muss sie auch vermitteln können und an dieser stelle krankt es aktuell ganz gemein.
Diese Problem wird aber definitiv nicht dadurch gelöst, dass man alle anderen (falschen) Mitteilungen versucht strafrechtlich zu eliminieren, denn dadurch allein ist man immer noch nicht in der Lage, die vielleicht eigenen guten Inhalte glaubhaft an das Volk zu bringen. Eher im Gegenteil, man spielt den Lügenpresse-Rhetorikern sogar noch in die Karten.

Die Message, die von einem Gesetzt zur Bekämpfung von Fake-News ausgeht ist ziemlich eindeutig: Wir haben Angst, dass Ihr irgend welchen abstrusen Behauptungen, die nicht mal nachprüfbar sind, mehr glaubt, als uns.
Wäre es nicht mal an der Zeit, über diesen Umstand nachzudenken?