Woran erkennt man, dass ein Triathlet auf Deiner Bahn schwimmt? …. Du musst Dich durch gefühlte 10 Kubikmeter an Spielzeug und Equipment wühlen, um ans Wasser zu gelangen.
Es ist immer wieder ein erheiternder, manchmal aber auch ein verstörender Anblick, wenn man morgens in die Schwimmhalle marschiert und die Sportkameraden, welche bereits fleißig ihre Bahnen ziehen, viele kleine und große Häufchen neben den Startblöcken gebildet habe – größtenteils glücklicher Weise nur aus Spielzeug. Da türmen sich dann Dutzende von Pull Buoys, Pull Kicks, Schwimmbrettern, Flossen in kurz und lang, Getränkeflaschen, Paddles und was weiß ich nicht noch alles.
Der nicht sachkundige Beobachter würde nun vermutlich bei all dem Equipment ein gewisses Leistungspotenzial im nassen Element seitens der Anwender eben jener Utensilien vermuten. Dies verhält sich (zum größten Teil) mitnichten so. Auch mit noch so viel Gerät, bleibt der durchschnittliche Triathlet im nassen Element dramatisch untermotorisiert.
Warum ist das so? An dieser Stelle möchte ich versuchen, dieses Problem mal aus meiner Sicht (also aus der Perspektive eines ehemaligen Leistungsfisches) zu beleuchten, auch wenn sich im globalen Netz bereits Fachartikel fast genau so stapeln, wie die Ausrüstung am Beckenrand. Dabei wollen wir uns vor Allem mit den für den Triathlon typischen Schwimmspäteinsteigern beschäftigen, denn ehemalige Schwimmer sind von dem Problem eher selten betroffen.
Eines der großen Probleme ist meines Erachtens nach, dass der Späteinsteiger typischerweise nur die Technik lernt. Meistens in einem Kraulkurs (manche sogar speziell für Triathleten) oder per Selbststudium mittels Videos oder diverser Fachliteratur. Da der Fokus in vielen Fällen wie geschrieben auf dem Erlernen der Technik liegt (Zugphase, Druckphase, Rückholphase, Körperrotation, Beinarbeit, Atmung) wird dem eigentlichen Wassergefühl wenig bis keine Beachtung geschenkt. Zudem scheinen Erwachsene sich wesentlich schwerer damit zu tun, eben jenes Wassergefühl zu entwickeln.
Aber was ist das nun genau? Eigentlich handelt es sich nur um die Selbst-wahrnehmung des eigenen Körpers im Wasser.
Wie ist meine Wasserlage? Wie viel Kraft setze ich gerade mit meinem Armzug im Wasser um? Wie groß ist meine Rotation? Liege ich möglichst flach im Wasser? Wie weit drehe ich den Kopf beim Atmen? Den meisten Triathleten ist die Technik durchaus vertraut, sie haben aber nie ein Gefühl dafür entwickelt, wie gut die Bewegungen im Wasser ausgeführt werden. Das merkt man sehr schnell daran, wenn man jemanden fragt, warum er oder sie beim Atmen ständig Richtung Himmel schaut oder warum die Beine im 45° Winkel nach unten vom Rumpf her abknicken, etc. pp. Erstaunlicher Weise haben viele das Gefühl, dass technisch alles sauber ist – als außenstehender Beobachter kommt einem aber das Grausen (und manchmal tut einem das Genick oder die Hüfte nur vom zuschauen weh).
Genau dass ist der Punkt, an dem Spielzeuge fatal werden und eigentlich das Gegenteil von dem bewirken, für was sie eigentlich gedacht sind.
Auf meiner persönlichen Fatalitiäten-Liste stehen hier Paddels ganz oben. Der gute Schwimmer nutzt diese zum Kräftigungstraining des Armzuges. Bei vielen Triathleten kann man aber beobachten, dass sie der Meinung sind, der Armzug wäre nach der Zugphase zu Ende – vermutlich weil die Druckphase zu anstrengend ist. Da schwabbelt der Arm dann nur noch bis knapp Hüfthöhe nach hinten und wird dann zurückgeholt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Dauer-Paddle-Schwimmer es sich zwei mal überlegen würden, ihre 1-3 Kilometer nur mit Paddels zurück zu legen, wenn sie eine sauber Zug- und Druckphase mit bewusstem Krafteinsatz ausführen würden, denn dass würde für die meisten Triathleten als Kräftigungstraining vollkommen ausreichen.
Tipp: Achtet bewusst auf die vollständige Ausführung von Zug- UND Druckphase und dass ihr in der Druckphase auch noch Druck auf der Hand/dem Arm habt (da kommt nämlich der Name her). Ihr könnt das vollständige Ausführen überprüfen, indem ihr mit dem Daumen in der Phase versucht Euren Oberschenkel zu berühren, bevor Ihr in die Rückholphase über geht. Und ja, am Anfang darf das dann auch Muskelkater geben.
Ähnlich verhält es sich mit dem zweit liebsten Spielzeug des Triathleten, dem Pull Buoy – und nein, es heißt NICHT Pool Boy, auch wenn frau den sich auch zwischen die….ähhh…egal.
Immer wieder zu beobachten: Triathleten, die Kilometer um Kilometer mit der Auftriebshilfe zwischen den Beine schrubben (gerne auch in Kombination mit den Paddels). In nicht wenigen Fällen sind die Herrschaften sogar recht flott unterwegs – aber nimmt man ihnen den Schaumstoff weg, ist das oft überhaupt kein schöner Anblick mehr und in einigen Fälle dem Ertrinken ähnlicher denn dem Schwimmen. Auch hier ist meistens das mangelnde Wassergefühl ein großes Problem. Die Beine sacken nach unten, die Hüfte wird instabil, die Rotation unkontrolliert.
Tipp: Eigentlich ist es offensichtlich, aber regelmäßiges Schwimmen ohne Pull Buoy oder andere Auftriebshilfe und OHNE Beinschlag (also NUR Arme) wirkt hier wunder. Ein stabiler Rumpf-Bereich erleichtert die Sache ungemein (also ran an die ungeliebten Stabis). Mit etwas Körperspannung sacken die Bein nicht weg (Ihr könnte gerne probieren, ob Ihr, wenn Ihr nur mit den Armen schwimmt, mit den Fersen die Wasseroberfläche durchstoßen könnt). Wem das nicht gelingt, der kann auch leichte Korrekturbeinschläge für den Anfang einbauen.
Ein viel beanspruchtes Maklersprichwort besagt: “Eine gute Lage ist eine gute Lage ist eine gute Lage.” Das kann man für das Schwimmen genau so übernehmen. Wenn Hilfsmittel und Spielzeuge dazu eingesetzt werden, etwas zu korrigieren, was ohne sie einfach nicht oder nur mit viel Anstrengung geht, dann wirken sie in der Regel kontraproduktiv. Im Endeffekt bedeutet dies: Paddles nur einsetzen, wenn der Armzug technisch komplett sauber ausgeführt werden kann und das Kräftigungstraining ohne Hilfsmittel an seine Grenzen gekommen ist, Pull Buoy dann einsetzen, wenn man eine halbwegs saubere Wasserlage auch ohne Auftriebshilfe beherrscht.
Nicht vergessen: Hilfsmittel sollten wenn überhaupt gezielt im Training eingesetzt werden. Wenn ich Paddles für das Krafttraining verwende, dann sollte die Trainingseinheit dazu passen. Das gleiche gilt für den Pull Buoy – in einem Techniktraining ist er richtig aufgehoben, das Gerät einfach so einsetzen, weil es gerade da ist und weil es das Training einfacher macht, ist eher eine schlechte Idee.
Tipp: Versucht Euer Wassergefühl zu entwickeln. Beobachtet Euch selber beim Schwimmen, versucht Euch Eure Lage im Wasser, Euren Krafteinsatz und Euren Bewegungsablauf bewusst zu machen und zu visualisieren. Nutzt dazu auch Hilfe von außen. Sich selber beim Schwimmen auf Video zu beobachten, ist manchmal optisch gar nicht zu schön, aber versucht es mit Eurem Wassergefühl in Einklang zu bringen. Wenn sich die Rotation richtig angefühlt, Ihr aber im Video seht, dass Ihr Euch fast in Rückenlage befindet, dann gilt es, hier am Wassergefühl zu arbeiten.
Macht Gleitübungen: stoßt Euch mit Körperspannung unterwasser von der Wand ab und gleitet, so weit es gelingt (wenn Ihr dabei das Gleichgewicht verliert und anfangt zu rotieren, müsst Ihr weiter am Wassergefühl arbeiten). Oder dreht Euch direkt aus der Kraullage während des Schwimmens in die Rückenlagen und schwimmt direkt weiter. Wenn Euch dass ohne Mühe und Rumgezappel gelingt, seid Ihr auf einem guten Weg.
Als Abschluss vielleicht noch folgende kleine Anekdote: Zu den Zeiten, als ich nur aktiver Schwimmer war (vor fast unglaublichen 20 Jahren), gab es bei uns im Training als Spielzeug maximal ein zerkautes Schwimmbrett. Dieses haben wir mehr oder weniger auch als Auftriebshilfe zwischen die Beine geklemmt. Allerdings hat dass das Schwimmen eher erschwert, da es mit dem Brett anstrengender war, das Gleichgewicht zu halten und zudem definitiv überschüssigen Auftrieb produziert hat. Als Paddels gab es zwei Kunststoffrechtecke (ohne Löcher) mit Plastikschlauchstücken als Fingerhalterung bei denen schon das Eintauchen ins Wasser einem kleinen Stunt gleich kamen (in der Raumfahrt hätte man wohl vom Abprallen an der Atmosphäre gesprochen).
Alles in Allem war und bin ich über 90% meiner Trainingszeit im Schwimmbecken ohne Gimmicks und Schnickschnack unterwegs (auch wenn ich mir dann beim Beintraining ab und an doch mal ein Pull Kick wünsche). Geschadet hat es wohl nicht, denn ich gehöre immer noch zu den eher zügigeren im Wasser.