Die Laufsicht: Breisgau Triathlon 2016 – eine ganze halbe Sache

Ob es so etwas wie “einfache” Halbdistanzen gibt weiß ich nicht und kann es mit meinem aktuellen Erfahrungsschatz auf dieser Strecke auch nicht beurteilen. Eines steht aber fest: Für meine Premiere auf dieser Distanz habe ich mir, versehentlich, wohl eines der härtesten Rennen in dieser Kategorie – so der allgemeine Tenor in vielen Foren –  in unsern Breiten ausgesucht…und es war jeden Meter dieser Strecke wert!

Eigentlich sah der Plan für meine Mitteldistanz-Premiere ein wenig anders aus: Nachdem bereits die Entscheidung gefallen war, die (Half) Challenge Almere-Amsterdam zu meinem Hauptwettkampf des Jahres zu machen, wollte ich vorher noch einen regionalen Testlauf über diese Distanz in meinen Kalender aufnehmen. Da außerhalb von Challenge und Ironman Halbdistanzen leider ein wenig rar gesät sind, blieb die Ausahl zwischen dem Moret-Triathlon und dem Weilburgman, auf welchen auch meine endgültige Wahl fiel. Pünktlich zum Jahreswechsel war die Anmeldung raus, die Startgebühr überwiesen und der Termin im familiären Kalender geblockt. Also alles im Lot – so könnte man denken.
Leider nicht so ganz, denn Mitte April kam über Nacht die Meldung, dass der Weilburgman aufgrund von zu hohen Anforderungen an die Radstrecke seitens der Behörden und dem damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand nicht mehr durchführbar sei und für dieses Jahr und auf unbestimmte Zeit nicht mehr stattfinden werde.
So etwas kann passieren und fällt einfach in die Kategorie “Dumm gelaufen” – dem gemeinen Triathleten ist aber auch klar, dass eine Umplanung “so spät” in der Saison auf einen Ersatzwettkampf nicht ganz so einfach ist, wie es am Anfang erscheinen mag. Bei verschobenem Termin stimmen die Trainingspläne plötzlich nicht mehr, die ein oder andere Veranstaltung ist schon ausgebucht, etc. pp. Halt all die Unwegsamkeiten, die sich einem so in den Weg schmeißen können.
Ein freundlicher Kommentar auf die Absageankündigung bei Facebook sollte die Lösung bringen – mir wurde der Breisgau-Triathlon, welcher sogar am selben Wochenende wie ursprünglich der Weilburgman statt finden sollte, als sehr lohnenswerte Alternative nahe gelegt. Ein paar kurze Nachforschungen in diversen Foren und auf einschlägigen Seiten ergaben, dass dieses Event trotz der harten Strecken absolut empfehlenswert sei und gerade durch seine familiäre Atmosphäre besteche. Ursprünglich war der Plan, nichts Überregionales für den Testlauf herauszusuchen, um zumindest den logistischen Aufwand in Grenzen zu halten, aber auch hier entstand aus ein paar Minuten Nachforschung eine im Nachhinein gesehen grandiose Lösung: Ohne diese jetzt näher auszuführen, sollten ein paar Schlagworte genügen – Breisgau, Ferienwohnung, Europapark, Strasbourg, Schwarzwald. Ein voll gepacktes Wochenende für die ganze Familie. Und auch wenn am Anfang der ein oder andere Zweifel seitens der Dame des Hauses gehegt wurde, war es am Ende für Alle ein rundum gelungener Kurzurlaub.

Aber zurück zum Thema: Nachdem die Anmeldung raus und die Ferienwohnung gebucht war, begann ich, mich als vorbereitende Maßnahme, genauer über dieses Rennen zu informieren. Dass der Breisgau nicht zu den flachsten Regionen in unserem schönen Land gehört, ist vermutlich jedem mit halbwegs vernünftigen Geographiekenntnissen klar – man hat dort den ein oder anderen Hügel (manche werden euphemistisch auch als Weinberge bezeichnet) aufgeschüttet und der Breisgauer als dortiger Ureinwohner kann mit diesen natürlich vortrefflich umgehen und baut sie somit auch mit Freude in eine 80 Kilometer lange Radstrecke und den darauf folgenden Halbmarathon ein. In Forenbeiträgen wird dann gerne auch mal von einem “anspruchsvollem Radkurs” und einer “herausfordernden Laufstrecke” gesprochen – in der Realität entpuppt sich dies allerdings dann ab und an schon mal als anspruchsvoller und herausfordernder als erwartet. Trotz allem sah das Höhenprofil auf diversen GPS-Trackingseiten zwar nicht besonders nett, aber machbar aus – wenn es in der Vorbereitung auch ein wenig Magengrummeln hinterließ.

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Abarbeiten der mentalen Checkliste: Ist alles dort, wo es hin muss?

Nach dieser Vorgeschichte und einem grandiosen Wochenenden mit der Holden und dem Junior (im Europapark, Strasbourg, etc, siehe oben) stand ich also pünktlich am 21. August mit knapp 200 anderen Athleten an der Startlinie am Müllersee in Riegel um die 2 Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen in Angriff zu nehmen. Sogar (dass erste mal während eines Wettkampfes) mit Neopren, weil der Herr von der DTU mit dem inzwischen berüchtigten DTU-Meter eine Wassertemperatur von unter 22,9°C herbei gemessen hatte. An der Startlinie wurde dann doch noch diskutiert, wo gemessen wurde (falscher See, in 5 Meter Wassertiefe, etc.), denn die Temperatur des Gewässer entsprach eher der eines Warmbadetages in einem Hallenbad. Sei es wie es sei, die Pelle wurde übergestreift (vielleicht war es ja draußen im See ein wenig kälter) und pünktlich um 9:00 ertönte zu den fast schon traditionellen Hells Bells von ACDC der Startschuss.

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Geometriekenntnisse benötigt – erst wird ein Dreieck geschwommen, dann ein Quadrat…

Ein Dreieck und ein Quadrat mussten wir schwimmen um die volle Distanz zu erreichen – so die Vorgabe des Streckensprechers – und so nahm ich mit den 200 geometrisch ebenfalls bewanderten Kollegen den direkten diagonalen Weg zur ersten Wendeboje am anderen Ende des Sees. Das Startareal zog sich doch recht stark in die Breite. Die berüchtigte Keilerei in der viel zitierten Waschmaschine fiel somit größtenteils aus und die ersten 400 Meter ließen sich angenehm und fast ungehindert schwimmen. Da ich dazu tendiere auf der Schwimmstrecke immer alles raus zu hauen was die Arme hergeben, musste ich mich wie auch später immer wieder selbst daran erinnern, dass ich nicht auf einer Kurzdistanz unterwegs war und mich regelmäßig einbremsen um nicht alles Pulver direkt zu verschießen. Also erstmal keine Tempo-Scharmützel, kein All-Out, sondern gleichmäßig durchs Wasser pflügen. Zu meiner eigenen Überraschung stieg ich aber trotzdem bereits nach etwas über 32 Minuten aus dem See (meine eigene Vorgabe lag bei etwa 34 Minuten) und kam trotz Allem doch noch recht entspannt in der ersten Wechselzone an. Da ich das Ausziehen des Neos nicht vorher explizit geübt hatte, sah ich mich schon einen der gefürchteten Wechselzonen-Pellentänze aufführen, allerdings verlief das Entblättern erstaunlich unkompliziert und nach etwa 4 Minuten saß ich auf meinem Bike. Die Radschuhe hatte ich in den Wechselbeutel gepackt, was sich aufgrund des matschig-steinigen Bodens im Bikepark als sehr vernünftig erwies (jaja, nicht immer ist die “coole” Variante mit eingeklinkten Schuhen am Bike auch die Beste).

Es folgte die acht Kilometer lange Anfahrt zum Rundkurs und das alt bekannte Phänomen: Wenn Du gut schwimmen kannst, dann können die ersten Kilometer der Radstrecke psychisch hart werden, denn dort kommt die Welle an Radmonstern von hinten angerollt, die zwar alle schlechter schwimmen, aber verdammt schnell fahren können. Bereits hier dämmerte mir, dass die Anzahl der “Nur-Ankommer”, welche man ja bei olympischen Distanzen und Großevents in genügender Zahl finden kann, bei diesem Triathlon doch wohl eher geringer ausfallen dürfte. Das Tempo war von Anfang an hoch, aber ich widerstand der Versuchung mitzufahren. Zum Einen, weil ich noch ohne Erfahrung auf dieser Distanz war und mich an meine eigene Energieverwaltung erstmal herantasten wollte, zum Anderen, weil ich zwar das theoretische Höhenprofil der Strecke kannte, aber keine Chance hatte, sie mir vorher anzusehen. Alles was ich wusste war, dass jede Runde etwa 340 Höhenmeter hatte, die sich aber “nur” auf etwa 7 Kilometer der Runde verteilten. Von daher hieß es vorsichtig sein und sich nicht schon am Anfang zerstören.

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Schwarzwaldrunfahrt – sieht harmlos aus, hat es aber in sich…

Kurz nach der Ortsdurchfahrt Malterdingen begann dann der erste Anstieg, was sich optisch schon durch Grüppchenbildung im Feld vor mir ankündigte. An der Stelle konnte ich mich zwar an den ein oder anderen Kollegen wieder heranarbeiten, blieb aber trotzdem vorsichtig, da ich in der ersten Runde noch keine Ahnung hatte, wie lange der Anstieg über die ersten 200 Höhenmeter sich noch hinziehen würde. Insgesamt sind es mehr oder weniger drei Stufen mit kurzen Flachstücken dazwischen – so gesehen eigentlich machbar, aber es wird von Runde zu Runde schwerer und beim dritten und letzten Mal war ich froh, einfach nur noch drüber rollen zu können. Nach dem Anstieg ging es in eine rasante Abfahrt, in der mich nicht nur viele Mitstarter sondern auch die Erkenntnis überrollte, dass ich wohl bei solchem Gefälle lernen muss wesentlich gnadenloser abzufahren – aber nicht so gnadenlos wie der Herr, den es am Ende des Gefälles im Graben zerlegt hat und von der Truppe vom Verein Weiß-Rot abtransportiert werden musste (gute Besserung an der Stelle).
Die Radstrecke windet sich danach durch ein paar Ortschaften und führt dann in die Weinberge – der Anstieg hier ist überschaubar (ca. 60 HM auf etwa 1,5 Kilometer mit ein paar kleineren Rampen), dafür ist die Abfahrt teilweise sehr hakelig (enge 90° und S-Kurven), ganz besonders, wenn es wie in der zweiten Runde anfängt, aus Kübeln zu schütten, der Weg samt Matsch rutschig wird und die Bremsen nur noch bedingt greifen. Die Strecke ist zwar gut ausgeschildert und die Gefahrenstellen mit Strohballen und Streckenposten ausgestattet, aber hier sollte wirklich die Vernunft siegen und das Interesse in einem Stück samt Fahrrad wieder unten anzukommen.

An dieser Stelle ist wohl auch mal ein Einwurf zum Thema Streckenposten und Zuschauer sowohl auf der Rad- als auch der Laufstrecke angebracht: Sicher findet man keine Zuschauermassen und Nester, wie wir sie von den großen Events kennen. Aber jedes Dorf, jedes Städchen dort in der Umgebung beteiligt sich an diesem Triathlon, an vielen Stellen ist die Freiwillige Feuerwehr als Streckenposten im Einsatz, sehr viele Anwohner platzieren sich im Liegestuhl vor ihren Häusern, bauen eigene kleine Stimmungsnester und feuern jeden Einzelnen frenetisch an. Man hat das Gefühl als Athlet, dass die ganze Region hinter diesem Event steht und ich bin immer noch fasziniert, dass das Verhältnis von Athleten und Helfern bei “nur” 500 Startern auf Mittel- und Jedermanndistanz bei ziemlich genau 1:1 liegt. Ein ganz großes Dankeschön und “Daumen Hoch” hierfür!

Zurück zum eigentlichen Rennen. Nach drei auch zeitlich eher durchwachsenen Runden, rollte ich mit einer Radzeit von 2:53 in die zweite Wechselzone in Malterdingen – etwa 20 Minuten langsamer, als ich mir zum Ziel gesetzt hatte. Ich wollte einen Schnitt um die 31 km/h fahren, am Ende wurden es aber nur ca. 28 km/h. Der Wechsel gestaltete sich als Luxus: Das Rad wird einem direkt abgenommen, der Beutel wird einem angereicht und man bekommt sogar einen persönlichen Wechselassistenten, der einem beim Verstauen der Radsachen hilft. Das kannte ich in dieser Form bisher nicht oder wenn, dann nur für die Profis.

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Sieht von oben eigentlich gar nicht so gemein aus – die Laufstrecke

Nach weiteren 2,5 Minuten ging es mit dem Gefühl “Keine Ahnung wie da jetzt noch 21 Kilometer gehen sollen” auf die berüchtigte Laufstrecke. Nachdem ich auf den ersten 3 Kilomteren “Einlaufrunde” doch wieder einige der auf dem Rad weggefahrenen einsammeln konnte, kamen plötzlich auch die Beine wieder zurück – gerade noch rechtzeitig vor dem ersten Einstieg in die Weinberge…nennen wir diesen hier einfach mal freundlich DIE WAND. Ich wusste ja vorher schon, dass es dort aufwärts geht (ca. 100 HM), nur war mir nicht klar, wie weit und wie steil. Und auch wenn ich den Brunnenfestlauf (siehe Bericht) mit seiner Steigung für hart gehalten hatte, dann war das hier noch einmal ein ganz anderes Kaliber – gerade dann, wenn man erst kurz vorher die 80 Kilometer auf dem Rad beendet hat. Aber es ist wie es ist, und wenn man bis ins Ziel kommen will, dann muss man da durch. Der gleichmäßige kleine Laufschritt kann hier Wunder wirken, und so ging es kontinuierlich den Berg hoch. Auch hier hält die Strecke noch einmal eine kleine Überraschung bereit: Wenn man glaubt, man sei ganz oben angekommen, folgt plötzlich noch einmal ein kurzer steiler Anstieg. Danach bleibt es dann zwar wellig, aber mit stetiger bergab Tendenz. Man kann es also laufen lassen und lediglich der Gedanke, dass man da noch ein zweites mal durch bzw. hoch muss, verdirbt einem an der Stelle ein wenig den Spaß.
Die erste Runde war dann auch in knapp unter 52 Minuten gelaufen und somit fast schon schneller als die 10,5 Kilometer auf meiner letzten Kurzdistanz, die genau 0 (in Worten null) Höhenmeter hatte. Manchmal verstehe ich meine Beine nicht (dass beruht vermutlich auf Gegenseitigkeit)…und bis Kilometer 14 ging es locker weiter. Dann stand ich das zweite mal vor DER WAND und vor einer Entscheidung: Meine Beine wussten es, ich wusste es – entweder nochmal hoch laufen und dann in den Weinbergen untergehen oder aber einen Gang zurückschalten, mit gestrecktem Gang den Berg hochmarschieren und nach dem Anstieg nochmal richtig durchziehen. Zweiteres war das Mittel der Wahl und die absolut richtige Entscheidung. Trotz der Wandereinlage kam der Kollege hinter mir nicht wirklich näher und der vor mir konnte auch nicht weg laufen. Dafür konnte ich nach erfolgreichem Aufstieg ohne Probleme wieder mein normales Lauftempo aufnehmen und auf den letzten 5 Kilometern noch ein paar weitere Athleten einsammeln. Im Endeffekt habe ich dadurch am Ende vielleicht 3-4 Minuten verloren, also eine sehr überschaubare Zeit. Die letzten 2 Kilometer, welche kontinuierlich bergab führen, waren dann von ein paar Beinahe-Krampfanfällen in der linken Wade begleitet, die ich aber kurz vorher gerade abfangen konnte.
Am Ende durfte ich mir sogar noch einen Zielsprint mit einem Athleten hinter mir gönnen – der aber eigentlich nur aus Frust zustande kam, weil mir auf dem roten Teppich aufgrund einer Windböe ein Absperrpoller samt Band in den Weg geweht wurde, beim Ausweichen die Wade endgültig zumachte und ich kurz stehen bleiben musste. Den Platz, wenn auch nur hinteres Mittelfeld wollte ich trotzdem nicht mehr hergeben. 😉
Summa Summarum stand am Ende eine Laufzeit von 1:49h zu Buche (meine eigene Vorgabe war um die 1:45, also absolut im Soll) und eine Gesamtzeit von 5:21h sowie die Erfahrung, meine erste Mitteldistanz bei einem absolut genialen und herausfordernden Wettkampf bestritten zu haben. Großartige Organisation, super Strecke, tolle Helfer und eine so dahinter stehende Region, da  kann sich so manches Großevent die ein oder andere Scheibe abschneiden.

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Nach insgesamt 103 Kilometern: Am Ende doch noch ein Zielsprint mit Fotofinish… 😉

Bei der Frage, ob das Event für Einsteiger auf dieser Distanz geeignet ist, kann ich lediglich mit einem ganz entschiedenen “Kommt drauf an” antworten. Wenn es nur darum geht, mal eine Mitteldistanz gemacht zu haben und irgendwie durchzukommen, dann dürfte beziehungsweise könnte dass für viele Neulinge sehr frustrierend werden. Ich persönlich fand das sportliche Niveau dort durch die Bank weg sehr hoch, bis auf eine handvoll Athleten blieben alle Zielzeiten unter 6 Stunden und damit wird es in diesen Bereichen natürlich sehr schnell sehr einsam.
Wer aber mal wissen möchte, wo er in seinem Sport mit seinen Leistungen steht, auch vor schwierigen Aufgaben keine Angst hat und auch ein wenig ambitionierter ist, der ist dort genau richtig aufgehoben.

Mir hat es trotz aller Strapazen unendlich viel Spaß gemacht, es hat mir gezeigt, wo ich richtig trainiert und gearbeitet habe aber vor allem auch, wo meine Schwachstellen liegen – diese werden dort gnadenlos aufgedeckt – und wo ich mich verbessern kann/muss.
Mit Sicherheit war ich nicht das letzte mal dort und mein Ziel (wenn auch dieses Jahr ziemlich verfehlt) bleibt, dort die 5 Stunden-Marke zu knacken.

Wir sehen uns im Ländle…

Die Pille fürs Ego und die Chemie des Selbstbetrugs

Eigentlich ist es ja ein ausgelutschtes Thema: regelmäßig werden in der Zeit vor Olympischen Spielen alte Dopingskandale neu aufgerollt und medienwirksam präsentiert und nebenher noch jede Menge neue Fälle, Sünder und die Machenschaften ganzer Verbände enttarnt. Wirklich überraschend ist nichts davon, denn “geahnt hatten wir es schon immer”. Dabei geht aber ein Phänomen völlig unter – eines, dass auch psychologisch hoch interessant ist und tiefer blicken lässt, als es so manchem lieb wäre.

Sind wir ehrlich: Wer war wirklich vom Fall Lance Armstrong überrascht, wem waren die “Frauen” der chinesischen Schwimm-Nationalmanschaft nicht schon immer suspekt und ist es wirklich so verwunderlich, dass es im russischen Leichtathletik-Verband wohl eine eigene Task Force für pharmazeutische Leistungssteigerung gibt? Doping ist so alt wie der Spitzensport und die Tatsache, dass es die Professionalisierung diverser Sportarten zugenommen hat und weiterhin zunimmt, hat mit Sicherheit nicht dazu geführt, dass der Missbrauch leistungssteigernder Mittelchen irgendwie stagniert wäre. Die einzig interessante Frage, die hier bleibt wäre wohl nur, was denn die Olympioniken der alten Griechen vor ihren Wettkämpfen so alles eingeworfen haben um ein wenig schneller flitzen zu können als der ein oder andere Römer.

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Die Verwendung diverser Mittelchen und Methoden pharmazeutischer Herkunft lässt sich im Spitzensport und vor allem im Profibereich sogar noch halbwegs plausibel erklären und dass sogar ohne das man Verständnis oder sonstige seltsame Dinge dafür aufbringen müsste: Es geht schlicht und einfach um die eigene Existenz, bzw. in Sportarten, in denen etwas mehr Geld im Spiel ist, die Wahrung und/oder Verbesserung des eigenen Marktwertes. Das fängt an beim kenianischen Langstreckenläufer, dem die Berufung in das nationale Team die Lebensgrundlage für seine gesamte Familie über Jahre hinweg sichert und hört auf beim millionenschweren Radprofi, dem ein weiterer Tour-Sieg noch das ein oder andere Milliönchen zusätzlich in die Kasse spült. Von der Befindlichkeit des Nationalstolzes so mancher Verbände möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen, aber auch dies geht und ging ja immer mit einer monetären Veränderung (und bei so manchem Regime natürlich auch der Chancen im späteren Leben des Sportlers) einher.
Also, ist das unmoralisch (vielleicht sollte man besser unfair schreiben, da Moral ja immer etwas sehr Subjektives ist), wenn ich “nur” versuche, meine berufliche Existenz (egal auf welchem Level) zu sichern? Mit absoluter Sicherheit, denn durch den eigenen Betrug verwehre ich eben diese Existenzsicherung meinen Mitbewerbern, die genau so davon leben müssen und im Grunde nur zwei Möglichkeiten haben: Mit dem Nachteil leben lernen oder das hässliche Spiel mitspielen. Was passieren kann, wenn sich eine ganze Sportart dafür entscheidet Variante 2 zu wählen, konnte man in den letzten Jahren eindrücklich beobachten.
Wie dem auch sei, materialistische Gründe sind psychologisch nicht besonders schwer nachzuvollziehen und können in vielfacher unschöner Auswirkung sowohl in der Sport- als auch in sonstigen Historien beliebig und ohne größere Aufwände vorgefunden und nachvollzogen werden.

Etwas verzwickter wird es, wenn wir einen Blick auf den Amateur- und Breitensport werfen, der sich in den letzten Jahren durchaus auch einen Namen im Bereich der unerlaubten Hilfen in der Leistungssteigerung gemacht hat. Das reicht von der billigsten Variante des Einnehmens irgendwelcher Schmerzmittel bis hin zum Erwerb und der Verwendung teuerster Dopingpräparate, bei denen wohl selbst ein Doktor Fuentes inzwischen neidisch werden würde, oder aber auch das illegale technische Tuning des eigenen Sportgerätes.
Sehr schnell stellt sich hier die Frage: Warum zum Teufel? Als Amateur oder Breitensportler muss ich keine Rechnungen von irgend welchen Prämien oder Sponsorengeldern bezahlen oder mich darum sorgen, dass bei schlechten Ergebnissen nur noch billigstes Essen auf dem Tisch steht, da das Geld für etwas Ordentliches fehlt. Eher im Gegenteil – ich zahle einen Haufen Kohle um irgendwo mitmachen zu dürfen. Warum muss ich meinen Körper und/oder auch mein Gewissen mit einem solchen Ballast beladen? Ich habe doch trainiert, um zu wissen, was ich leisten kann, um zu wissen wie gut ich bin und an welche Grenzen ich gehen kann und nicht darum, um herauszufinden, wie gut der Pharma-Konzern gearbeitet hat. Egal ob mit Epo oder Aspirin, am Ende werde ich nie wissen, ob und vor allem wie gut ich war oder hätte sein können.
Sperrt man dann ein wenig die Ohren und auch die Augen auf, wird aber sehr schnell eine “Argumentationslinie” deutlich: “Die anderen machen es ja auch und damit man eine Chance hat spiele ich halt mit.” Grob gesagt, der gleiche Bullshit, wie bei den Profis. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied, hier geht es nicht um Geld oder Marktwert, sondern einzig und alleine ums eigene Ego, es geht um den totalen Selbstbetrug. “Die Anderen” können das, da muss ich unbedingt mithalten könne, egal unter welchen Umständen. Wenn ich nicht mithalten kann, werde ich immer und überall abgehängt, “die Anderen” sind die Erfolgreichen, ich der Loser, der kann einen Marathon finishen, dass muss ich auch, der ist ein Ironman, das brauche ich auch in meinem Lebenslauf, etc. pp.
Wir leben in einer Zeit, in der sich ein Großteil von uns immer stärker in Relation zu seinen Mitmenschen definiert und immer weniger über die eigenen persönlichen Stärken und Schwächen, das altbekannte “Mein Auto, mein Haus, mein Boot”-Syndrom. Es reicht uns nicht, dass es uns gut geht, wir wollen, dass es uns besser geht, besser als dem Kollegen, dem Nachbarn oder dem Sportkameraden. Und wenn es der Körper nicht hergibt, den Marathon, den der Kollege aus Büro C5 bereits erfolgreich gelaufen ist, selber zu bewältigen, weil man bei Kilometer 30 vor Schmerzen fast stirbt, dann wird halt mit Paracetamol nachgeholfen. Und wenn der Vereinskamerad bereits die 3:30h unterboten hat, dann muss man dass selber ja auch auf Teufel komm raus schaffen, oder der Status-Verlust im eigenen sportlich und sozialen Umfeld ist garantiert – so glaubt man zumindest.
Ob es den Kollegen oder den Sportkameraden interessiert, dass man nun besser oder genau so gut ist, ist unerheblich. Denn man selbst hat sich bewiesen, dazuzugehören. Das eigene Ego ausgetrickst und poliert. Denn man hat doch die Leistung erbracht, mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen. Und eigentlich ist es ja auch nicht schlimmer, als der ein wenig frisierte Lebenslauf bei der Bewerbung, oder? Oder vielleicht die etwas modifizierte Steuererklärung? Und überhaupt, es ist ja nur Sport, die anderen sind garantiert auch nicht clean und somit ist es wenigstens ein fairer Wettkampf…
Die haarsträubend relativierenden Beispiele für Selbstbetrugsversuche ließen sich vermutlich noch über Seiten ausführen, ändern aber an der Quintessenz nichts:

Egal, wie man es dreht und wendet, letztendlich bleibt es nur eines: Selbstbetrug. Es hat überhaupt keine Relevanz, ob “die Anderen” in irgend einer Weise nachgeholfen haben oder nicht. Jede Art der Rechtfertigung vor einem selber, ist nur eine Verar***e des eigenen Egos. Denn eines werde ich als Doper nie erfahren: “War wirklich ich so gut oder hat nur ein Chemiker einen verdammt guten Job gemacht”…und eigentlich stellt sich für einen echten Sportler, egal in welcher Sportart, immer nur eine Frage am Wettkampftag: “Wie gut bin ich wirklich!”

In diesem Sinne
Bleibt sauber!

Die Laufsicht: Brunnenfestlauf Oberursel oder “flach kann ja jeder”

Genug mit mir selbst gehadert: Nach einem Tag hin- und her mit meinem Ego, die gesetzte Zielzeit nicht erreicht zu haben und, nach ein wenig Reflexion (danke Alex), der Erkenntnis, dass die Erwartungen zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen eigentlich so gar nicht realistisch waren, ist es jetzt an der Zeit, ein paar Worte über ein an sich hochinteressantes Laufevent zu verlieren.

Bei einem Blick auf die Strecke und das Höhenprofil war eigentlich von Anfang an klar: Einen Angriff auf die eigene Bestzeit über 21,095 km konnte es bei diesem Lauf nicht geben. Dagegen sprachen neben diversen Bodenbeschaffenheiten (von Kopfsteinpflaster bis Waldpfad) auch und vor Allem die im Streckenplan vermerkten insgesamt 337 Höhenmeter, von denen sich die Meisten bei Kilometer 3 und Kilometer 13 in Form eines “markanten Anstieges”, wie es die Ausschreibung euphemistisch formulierte, im Wald versteckt hatten. Aber, ohne Zielzeit kein Wettkampf und so sollte es im Endergebnis eine Zeit knapp unterhalb der 1:40h werden…dachte ich.

Allerdings, wie ein viel bemühtes Zitat zu sagen weiß: “Kein Plan übersteht den ersten Kontakt mit dem Feind”. Und dieser Satz sollte auch dieses mal wieder seinen Wahrheitsgehalt unter Beweis stellen.

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Bei schönem Wetter und knapp 25° fiel der Startschuß zum diesjährigen Brunnenfestlauf für die 10 Kilometer- und Halbmarathon-Läufer pünktlich um 10:00 Uhr auf dem Marktplatz in Oberursel. Nach einer kleinen Runde mit Gefälle führte die Strecke in den Maasgrund, wo sich ab Kilometer 2 erahnen ließ, dass die Strecke nicht wirklich flach verlaufen würde. Der ominöse “markante Anstieg” sollte kurz darauf folgen und kündigte sich in Form der ersten gehenden Läufer bereits am Waldrand an. 800m sind von der Strecke her an sich überschaubar, mit knapp 100 Höhenmetern gewürzt werden sie allerdings schwer verdaulich. Dies gilt ins Besondere dann, wenn man keine Ahnung hat, wie man so etwas in den eigenen Wettkampf integrieren soll. Natürlich, ich laufe auch im Training gerne Anstiege hoch, da stört es aber nicht, wenn man hinterher gemütlich weiter trabt. Was aber, wenn man so etwas noch nie unter Wettkampfbedingungen und Pace ausprobiert hat und einem auch noch die Erkenntnis ins Hirn kriecht, dass man da ja bei Kilometer 13 noch mal hoch muss. Also “Fire and Forget” (möglichst schnell hoch) oder doch lieber “spazieren gehen”. Ich entschied mich für eine Variante, die im Training eigentlich immer ganz gut funktioniert, gleichmäßig mit vernünftigem Speed den Hang hoch – im Nachgang betrachtet vermutlich die falsche Entscheidung, ebenso wie der Gedanke, dass es ja auf der zweiten Hälfte der Runde bergab gehen würde und man dort wieder ein wenig Kraft tanken könnte. Das dies zwar für vieles, jedoch nicht für die Beinmuskulatur gilt, sollte ich später noch erfahren.
Freundlicherweise befand sich kurz hinter dem Anstieg die erste Verpflegungsstation. Auch wenn man erwartet, dass nach diesem Anstieg dass Schlimmste für die erste Runde überstanden ist, wird es bis zum höchsten Punkt an der Klinik Hohemark noch nicht wirklich netter. Bis dorthin darf man sich über einen leichten stetigen Anstieg mit der ein oder anderen kleinen Welle freuen, bevor es zweieinhalb Kilometer abwärts über Waldwege Richtung Königsteiner Strasse geht. Hier trennen sich die Wege der 10km- und der Halbmarathon-Strecke das erste Mal. Während die 10km Läufer direkt auf die Straße Richtung Oberursel einbiegen dürfen, vollführt die Halbmarathonstrecke einen kleinen Bogen über einen schmalen Waldpfad, bevor sie auf die Königsteiner Straße mündet. An dieser Stelle wird es dann etwas zäh: Nach dem ganzen Auf und Ab geht es wieder über flachen Asphalt, der nach einem weitern kurzen Anstieg fast schon zu einem recht steilen Zielschuß wird – in der ersten Runde allerdings nur für die 10km Läufer. Der Rest biegt wieder in den Maasgrund ab und darf sich geistig und moralisch schon mal auf den unvermeidlichen zweiten Anstieg “freuen”.
Nach kurzer Diskussion zwischen meinen Beinen und mir entschieden wir im Konsens, das Hochspazieren unter allen Umständen zu vermeiden und dieses, dem Namen der Sportart entsprechend, laufend zu überstehen. Motiviert davon, dass ich bereits zu Beginn des Anstieges noch ein paar Mitläufer einsammeln konnte, versuchte ich mit möglichst konstantem Schritt mein Glück ein zweites Mal – was auch gelang, vermutlich aber doch um einiges langsamer als in der ersten Runde (wie eh und je laufe ich Wettkämpfe ohne Uhr, kann also nicht vergleichen) und mit kostspieligem Energiebedarf. Es folgte erneut die Wasserstation und der weitere Aufstieg bis zur Klinik bei Kilometer 15. Meine Beine führten an dieser Stelle kurzzeitig eine Urabstimmung zu einem Generalstreik durch, der aber durch geschicktes Verhandeln der Tarifparteien abgewendet werden konnte, insbesondere da der schwierigste Teil der Strecke endgültig überwunden war. Auf dem Weg abwärts kam mir dann der Gedanke, dass solch profilierte Kurse eventuell von der Renneinteilung doch anders funktionieren, als ein ebener Straßenlauf. Konnte ich in den Anstiegen trotz motzender Beine noch mit dem Läufer vor mir Kontakt halten, war der Abstand bergab plötzlich auf zwei-, dreihundert Meter angewachsen. Anmerkung am Rande: eine Orientierung an Mitläufern auf der zweiten Runde ist deshalb schwierig, da sich nach der ersten Runde die 10 Kilometer-Truppe bereits verabschiedet hat und sich die ca. 200 Halbmarathon Teilnehmer auf den gesamten 11 Kilometern des Rundkurses verteilen.
Mit Einbiegen auf die Königsteiner Strasse auf den letzten Kilometern reifte in mir die Erkenntnis, dass auch das Rennen in der Ebene nach so einem Auf- und Ab kein Selbstläufer (höhö) mehr ist, einem die letzten gar nicht so schwer geglaubten Kilometer noch einmal kräftig ins Gehwerk fahren und auch der letzte nur noch bergab führende Kilometer nur noch sehr eingeschränkt Spaß macht.
Nach einem kurzen Anstieg ging es nochmal über Kopfsteinpflaster Richtung Ziel und Uhr, die eine besch… öhhh… gar nicht so schöne 1:43 h zeigte. Strecke gemeistert, Zielzeit um 3 Minuten verfehlt. Ärgerlich…

Nachdem ich aber nun genug an mir gezweifelt habe, ist es vernünftig einfach mal die wirklichen Tatsachen zu betrachten: Meine bisherige Bestzeit von 1:35 bin ich unter fast optimalen Bedingungen beim Frankfurt Halbmarathon gelaufen und die Trainingsbelastung vor diesem war wesentlich geringer. Hinzu kommt, dass ich vermutlich auf Grund meiner Unerfahrenheit mit “profilierten” Strecken  in der Renneinteilung ein paar Fehler gemacht habe, am Hang zu hart gelaufen bin und die Muskelermüdung bergab unterschätzt habe. Im Training stört es halt nicht, wenn man nach ein paar Bergan-Läufen mit einem langsamen Schnitt die letzten Kilometer nach Hause trabt, im Wettkampf ist das dann doch eher ein wenig kontraproduktiv.

Letztendlich ist es vermutlich Jammern auf sehr hohem Niveau, sich über eine solche Zeit bei einer solchen Strecke zu ärgern. Ja, ich hätte gerne meine Zielzeit geknackt! Ja, ich wäre gerne besser gewesen. Trotz Allem war es gut und vielleicht eine ähnliche Leistung wie beim Frankfurt Halbmarathon, wer weiß. Ein weiterer positiver Effekt: Ich habe jetzt zumindest eine Ahnung, was mich im August im Breisgau erwartet.

Den Brunnenfestlauf in Oberursel kann ich jedem ambitionierten Läufer nur empfehlen. Die Strecke ist landschaftlich erste Klasse, die Organisation absolut super und die Teilnehmerzahl absolut angemessen und angenehm. Beim Schwierigkeitsgrad bediene ich mich mal mangels Erfahrung mit solchen Läufen für die Bewertungen bei diversen Lauf-Blogs und Webseiten: Die Bandbreite der Einschätzung reicht hier von anspruchsvoll- bis sehr anspruchsvoll. An dieser Stelle kann ich mich nur anschließen: Einfach ist was anderes! Der nächste Level sind vermutlich dann vollwertige Bergläufe.

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Eine weitere entscheidende Erkenntnis möchte ich dem Leser aber nicht vorenthalten: Auch die Dame des Hauses hat sich an diesem Lauf beteiligt und über 5 Kilometer ihren ersten gezeiteten Wettkampf bestritten – und dies um einiges schneller als sie es von sich selbst erwartet hat (kleine Info am Rande: sogar schneller als mein erster 5er, aber psst, nicht weiter sagen). Ich hatte sie zwar im Vorfeld dahingehend informiert, dass dies genau so geschehen würde, aber da ich da ja nur bedingt Ahnung vom Laufen haben, muss man mir ja nicht glauben. 😉
Vielleicht ist ja auch da der Funke übergesprungen.

 

Infos zum Brunnenfestlauf:
brunnenfestlauf.de

Tipps For Freaks: Ausdauer-Lego oder wie wir uns einen Trainingsplan basteln

Fast jeder, der sich mit dem Ausdauersport-Virus infiziert hat und etwas ambitioniertere Ziele verfolgt, kennt das Problem: Wie gestalte ich mein Training, um das Bestmögliche aus mir herauszuholen und wo bekomme ich einen Plan dafür her?

Die Antwort erscheint auf den ersten Blick doch gar nicht mal so kompliziert – einen Plan für das Training, in Fachkreisen auch Trainingsplan genannt (Aha), ist in vielfacher Form in diversen Ratgebern und/oder auch mittels noch diverseren Suchwerkzeugen im Netz zu finden. Auf Seiten diverser Sportartikelhersteller und Fitness-App-Anbietern gibt es eben diese genau so zu finden, in vielen Fällen gegen die Zahlung eines kleinen Obolusses, mit interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten und namentlich abgesegnet von diversen (Ex-)Spitzenathleten.
Das Problem: hat man sich erst einmal einen solchen Plan rausgesucht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man früher oder (im ungünstigsten Fall) auch eher später feststellt, dass das, was da so geschrieben steht, eigentlich gar nicht mal so richtig zum eigenen Leistungsprofil und den eigenen Anforderungen passt. Gerade im Multisportbereich (Triathlon) sieht man viele Trainingspläne, die von einem einheitlichen Niveau in allen Teildisziplinen ausgehen, was aber wohl in den seltensten Fällen wirklich realistisch sein dürfte (über die Schwimmqualitäten einens durchschnittlichen Triathleten habe ich mich ja schon diverse Male ausgelassen).
Da aber dem gemeinen Ausdauerjunkie sein Trainingsplan hoch und vor Allem heilig ist (besonders wenn er auch noch Geld dafür abgedrückt hat), wird das schriftlich vorhandene Programm gnadenlos durchgezogen, obwohl sich evtl. die Erkenntnis einstellt, dass das Programm vielleicht doch zu hart oder evtl. sogar zu weich ist (hier mögen sich die quasi-religösen Verehrer von Laufpäbsten wie Steffney oder Greiff angesprochen fühlen, die in diversen Foren fast schon so etwas wie Religionskriege austragen).

Was also tun?

Letztendlich bleiben zwei Alternativen übrige:

  1. Wir mieten uns einen Coach (von denen es ja mittlerweile auch nur so wimmelt und die es unabhängig von ihren finanziellen Entlohnungsvorstellungen auch in diversesten Qualitätsstufen gibt.)
  2. Wir basteln uns einen eigenen Trainingsplan nach unseren Bedürfnissen

Hier und heute will ich versuchen, für 2.) eine kleine Bauplan zu liefern.
Vorne weg: ich bin kein gelernter Coach und mein Kenntnisstand im Bereich der Trainingswissenschaften ist wohl eher mit “rudimentär” zu bezeichnen. Von diesem ominösen “langen langsamen Lauf”, welchen man als Ausdauersportler “unbedingt machen muss”, habe ich auch schon mal gehört, bis heute aber vermutlich noch keinen einzigen dieser Art jemals wirklich durchgezogen. All dieser Fakten zum Trotz scheine ich nicht ganz so schlecht in meinem Sport zu sein – dem Interessierten sei hier meine Leistungsübersicht ans Herz gelegt – und aus sicherer Quelle weiß ich, dass sich viele “gecoachte” Athleten in den Ergebnislisten hinter mir befinden. 😉

Kommen wir also zum eigentlich Kern und gehen unsere Bastelstunde mal chronologisch an, beginnen also am Anfang. Warum überhaupt ein Trainingsplan, man kann doch auch so einfach Laufen (Radfahren, Schwimmen, Minigolf spielen, etc.). Die Antwort(en) hierauf ist/sind recht einfach:

  • Motivation: ich nehme mir vor, bestimmte Vorgaben/Aufgaben, die ich mir selbst gestellt habe, zu erfüllen. Stelle ich mir diese Aufgaben, bevor ich mit dem eigentlichen Training beginne (in Form eines Planes), ist das Risiko recht kleine, dass ich aus einer Laune heraus eine unbequeme Trainingseinheit gegen eine einfachere Tausche, “weil mir gerade nicht nach Anstrengung ist”. (“Verdammt noch mal, wer hat denn heute schon wieder die 1000m Intervalle in meinen Plan geschrieben”) oder diese gar ganz ausfallen lasse. Sollte man dies doch tun, so hilft vermutlich auch der beste Plan nichts. 😀
  • Reproduzierbarkeit: Vor vielen Wettkämpfen stellt man sich die Frage: “Wie habe ich eigentlich das letzte mal trainiert, als ich so eine geniale Zeit raus gehauen habe”. Hat man nun seine Pläne schon ordentlich dokumentiert und archiviert, dann hilft ein einfacher Blick in diese Aufzeichnungen und voilà, schon weiß man wieder, was zu tun ist. Analoges gilt übrigens auch für das Gegenteil: Wenn man es mal wieder in einer Trainingsperiode übertrieben hat und danach dahin siecht, mag ein Blick in die Planung einen gewissen Aufschluss darüber bereit halten, was denn schief gelaufen ist.
  • Übersicht / Organisation: Oft hilft es, Über- oder auch Unterbelastungen zu identifizieren, wenn man sich die eigenen Trainingsideen vorher in einem Plan visualisiert. Bei dem ein oder anderen stellt sich dann die Erkenntnis ein, dass drei bis fünf harte Einheiten hintereinander eine vielleicht gar nicht so gute Idee sind und man das Training eventuell ein wenig entzerren möchte. Organisiert man seine Pläne in digitaler Form (Excel, Open Office Calc, diverse Coaching Applications), lässt sich sogar durch Copy/Cut/Paste die Planung sehr komfortabel umgestalten.

Nun aber zum Kern der Sache: Wie baut man den eigentlich Plan? Jenseits von Fachtermini wie Makro- oder Mikrozyklus lässt sich die allgemeine Trainingsplanung auf den allgemeinen Nenner reduzieren, dass man über einen gewissen Zeitraum hinweg zu einem fest gesetzten Wettkampf (Wochen, Monate), die Trainingsbelastung bis zu einem vorher festgesetzten Höchstmaß intensiviert.

Beispiel: Wenn es das Ziel ist, den ersten Halbmarathon im Juni zu laufen und ich bisher ein- bis zweimal die Woche 5 Kilometer jogge, dann fange ich nicht an, direkt 21 km am Stück zu laufen, sondern plane eine kontinuierliche Steigerung hin zu diesem Ziel. Sind also 6 Monate Zeit und dass vordefinierte Ziel ist, in einer vernünftigen Zeit diesen Halbmarathon zu absolvieren, so kann ich meine grobe Trainingsplanskizze wie folgt aufbauen:

  1. Monat:  Läufe von 5-6 Kilometern
  2. Monat: Läufe zwischen 7-8 Kilometern
  3. Monat: Läufe bis zu 9-11 Kilometern
  4. Monat:  Läufe bis zu 13 Kilometern
  5. Monat: Läufe bis zu 15 Kilometern
  6. Monat: Halbmarathon

Natürlich macht man solche Läufe nicht dreimal die Woche. Für mich hat es sich als vernünftige Richtlinie erwiesen, einen solchen Lauf immer einmal in der Woche in den Plan einzubauen. Vom Tempo her kann man diesen nach Gefühl dann so gestalten, dass “man gut durch kommt”. Viele Coaches würden wohl hier den langen Lauf empfehlen, allerdings empfinde ich es eher als störend, zwanghaft unter meinem natürlichen Tempo laufen zu müssen.
Wichtig: genau dies sind die Erkenntnisse, die jeder Sportler für sich selbst gewinnen muss. Wenn Ihr fest stellt, dass Euch ein sehr langsamer langer Lauf etwas bringt, dann baut ihn in Euren Plan ein.
Für die weiteren Läufe in der Woche (für eine ordentliche HM Zeit sollten es hier schon zwei weitere sein), kann man sich dann aus dem Pool diverser Trainingsmöglichkeiten bedienen: Fahrtenspiel, Hangläufe, Tempodauerläufe und für die Ambitionierteren natürlich auch die allseits beliebten Intervalle. Diese verteilt man dann so in der Trainingswoche, dass Belastungen und ruhigere Einheiten sich halbwegs abwechseln. Das ist vor allem für Triathleten interessant, die mehr als nur eine Disziplin in den Wochenplänen unterbringen müssen. Ziel soll es ja sein, fit zu werden und nicht, sich zu zerstören (wobei dies gelegentlich auch nicht verkehrt ist, dazu werde ich aber einen separaten Eintrag verfassen).
Ein Wochenplan könnte also wie folgt aussehen:

Montag: 7 Kilometer Tempodauerlauf
Mittwoch: 6 Kilometer Hang-/Berglauf
Freitag: 13 Kilometer Lauf

WICHTIG: Wenn Ihr Euch von Eurem eigenen Plan unterfordert fühlt, haltet Euch nicht sklavisch daran fest, sonder justiert die Anforderungen ein wenig nach oben. Ihr werdet schnell merken, was geht und was nicht! Der beste Ratgeber ist das eigene Körpergefühl, und ja, es darf öfter auch mal richtig weh tun. Wenn Ihr danach zu lange platt seid, dann müsst Ihr die Anforderungen wieder ein wenig zurück schrauben. Try and error heißt es hier.
Nebenbei: ein Coach wird in vielen Fällen, dass Gleiche machen, nämlich darauf achten, wie ihr auf die Trainingseinheiten reagiert und diese entsprechend anpassen.

Als Nächstes baut man Regenerationsphasen in den Plan ein. Wie wir alle irgendwo mal gelernt haben, wird der Körper ja nicht während des Trainings stärker, sondern während der Erholung.
Für mich hat sich ein 3 Wochen / 1 Woche Rhythmus als praktikabel erwiesen, also 3 Wochen mit normalen Trainingseinheiten und eine Woche mit weniger Umfängen und lockeren Einheiten. Wichtig hierbei ist, dass Regeneration nicht bedeutet, überhaupt nichts zu tun, sondern lediglich die Umfänge / Belastungen zu reduzieren.

Packt man nun die geplanten Wochentrainingseinheiten und die Regenerationsphasen zusammen, so erhält man wunderbare (einmonatige) Trainingsblöcke. In diesen kann man nun sukzessive die Umfänge und Belastungen über den Zeitraum bis zum Wettkampf erhöhen (die Regel, die Trainingsbelastung maximal um 10% im Monat zu steigern hat sich hier als sehr hilfreich herausgestellt).
Natürlich sollte man diese Steigerung so dosieren, dass man über das eigentliche Wettkampfziel nicht hinausschießt (es ist einfach nicht sinnvoll, wenn man für einen Halbmarathon trainiert, 30 km Läufe ins Programm einzubauen, nur weil man linear 10% pro Monat gesteigert hat).

Um den Erfolg Eures Trainings und des Plans zu kontrollieren, empfiehlt es sich, nach der Regenerationsphase die eigene Leistung zu überprüfen. Ich selber plane an Montagen nach Regenerationswochen immer einen gezeiteten Tempolauf ein. Hier sollte man nicht ungeduldig zu werden! Es ist illusorisch zu glauben, dass man jeden Monat neue Bestzeiten aufstellen kann. Am Anfang mag das noch funktionieren, aber je besser man wird, desto zäher wird es, ständig seine eigenen Zeiten zu unterbieten (Tipp für die Fortgeschrittenen: 10km Wettkämpfe oder Halbmarathons kann man auch als Trainingseinheiten in den Plan integrieren – dass kann noch einmal einen zusätzlichen Leistungsschub bewirken).

Am Ende des Plans (vor dem Wettkampf) sollte man das Tapering nicht vergessen. Wichtig hierbei: Es gibt wohl nicht das Patentrezept, wie man richtig tapert. Für den einen kann es vernünftig sein, bereits zwei Wochen vor Wettkampf den Trainingsumfang zu reduzieren, während der andere bis kurz vorher weiter trainieren muss, um seine Leistung am Ende auch abrufen zu können. Auch hier gilt, probiert es aus! Nach ein, zwei Versuchen wisst Ihr, was richtig ist.

Nach dem Wettkampf oder der Saison sollte man dann zur Manöverkritik schreiten, bzw. sich mit den Lessons learned auseinandersetzen. Seid ehrlich gegenüber Euch selbst und stellt Euch die entscheidenden Frage: Hat der Plan für mich funktioniert? Was war gut, was schlecht? Wo hätte ich optimieren können?
Mit Sicherheit wird der zweite und dritte Trainingsplan, den Ihr Euch zusammenbaut, anders aussehen, als Euer erster. Es werden Details hinzukommen, Ihr werde für Euch herausfinden, welche Details Ihr dokumentieren möchtet, wie detailiert Ihr Eure Einheiten vorausplanen wollt und wie Ihr für Euch die richtigen Schlüsse daraus ziehen könnt.
Wie bei vielen Dingen ist es ein ständiger Lernprozess, der aber (zumindest mir) sehr viel Spaß macht und inzwischen ein wesentlicher Bestandteil meines Sportlerlebens ist. Natürlich stellt man sich die frage, um wie viel besser es noch werden könnte, wenn man einen professionellen Coach engagieren würde – mir persönlich würde aber ein Kontrollmechanismus für mich selbst fehlen, wenn ich mich nicht eigenständig um mein Training und meine Pläne kümmern würde.

Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp: Lasst Euch auch von anderen Trainingsplänen inspirieren und fragt öfter mal andere Athleten, wie sie ihr Training gestalten. Probiert aus, was Ihr davon gebrauchen könnt, baut es in Euren Plan ein. Was nicht passt, entsorgt Ihr einfach.

Tipps For Freaks: Die Sache mit den Spielzeugen

Woran erkennt man, dass ein Triathlet auf Deiner Bahn schwimmt? …. Du musst Dich durch gefühlte 10 Kubikmeter an Spielzeug und Equipment wühlen, um ans Wasser zu gelangen.

Es ist immer wieder ein erheiternder, manchmal aber auch ein verstörender Anblick, wenn man morgens in die Schwimmhalle marschiert und die Sportkameraden, welche bereits fleißig ihre Bahnen ziehen, viele kleine und große Häufchen neben den Startblöcken gebildet habe – größtenteils glücklicher Weise nur aus Spielzeug. Da türmen sich dann Dutzende von Pull Buoys, Pull Kicks, Schwimmbrettern, Flossen in kurz und lang, Getränkeflaschen, Paddles und was weiß ich nicht noch alles.

Der nicht sachkundige Beobachter würde nun vermutlich bei all dem Equipment ein gewisses Leistungspotenzial im nassen Element seitens der Anwender eben jener Utensilien vermuten. Dies verhält sich (zum größten Teil) mitnichten so. Auch mit noch so viel Gerät, bleibt der durchschnittliche Triathlet im nassen Element dramatisch untermotorisiert.
Warum ist das so? An dieser Stelle möchte ich versuchen, dieses Problem mal aus meiner Sicht (also aus der Perspektive eines ehemaligen Leistungsfisches) zu beleuchten, auch wenn sich im globalen Netz bereits Fachartikel fast genau so stapeln, wie die Ausrüstung am Beckenrand. Dabei wollen wir uns vor Allem mit den für den Triathlon typischen Schwimmspäteinsteigern beschäftigen, denn ehemalige Schwimmer sind von dem Problem eher selten betroffen.

Eines der großen Probleme ist meines Erachtens nach, dass der Späteinsteiger typischerweise nur die Technik lernt. Meistens in einem Kraulkurs (manche sogar speziell für Triathleten) oder per Selbststudium mittels Videos oder diverser Fachliteratur. Da der Fokus in vielen Fällen wie geschrieben auf dem Erlernen der Technik liegt (Zugphase, Druckphase, Rückholphase, Körperrotation, Beinarbeit, Atmung) wird dem eigentlichen Wassergefühl wenig bis keine Beachtung geschenkt. Zudem scheinen Erwachsene sich wesentlich schwerer damit zu tun, eben jenes Wassergefühl zu entwickeln.
Aber was ist das nun genau? Eigentlich handelt es sich nur um die Selbst-wahrnehmung des eigenen Körpers im Wasser.
Wie ist meine Wasserlage? Wie viel Kraft setze ich gerade mit meinem Armzug im Wasser um? Wie groß ist meine Rotation? Liege ich möglichst flach im Wasser? Wie weit drehe ich den Kopf beim Atmen? Den meisten Triathleten ist die Technik durchaus vertraut, sie haben aber nie ein Gefühl dafür entwickelt, wie gut die Bewegungen im Wasser ausgeführt werden. Das merkt man sehr schnell daran, wenn man jemanden fragt, warum er oder sie beim Atmen ständig Richtung Himmel schaut oder warum die Beine im 45° Winkel nach unten vom Rumpf her abknicken, etc. pp. Erstaunlicher Weise haben viele das Gefühl, dass technisch alles sauber ist – als außenstehender Beobachter kommt einem aber das Grausen (und manchmal tut einem das Genick oder die Hüfte nur vom zuschauen weh).

Genau dass ist der Punkt, an dem Spielzeuge fatal werden und eigentlich das Gegenteil von dem bewirken, für was sie eigentlich gedacht sind.
Auf meiner persönlichen Fatalitiäten-Liste stehen hier Paddels ganz oben. Der gute Schwimmer nutzt diese zum Kräftigungstraining des Armzuges. Bei vielen Triathleten kann man aber beobachten, dass sie der Meinung sind, der Armzug wäre nach der Zugphase zu Ende – vermutlich weil die Druckphase zu anstrengend ist. Da schwabbelt der Arm dann nur noch bis knapp Hüfthöhe nach hinten und wird dann zurückgeholt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Dauer-Paddle-Schwimmer es sich zwei mal überlegen würden, ihre 1-3 Kilometer nur mit Paddels zurück zu legen, wenn sie eine sauber Zug- und Druckphase mit bewusstem Krafteinsatz ausführen würden, denn dass würde für die meisten Triathleten als Kräftigungstraining vollkommen ausreichen.

Tipp: Achtet bewusst auf die vollständige Ausführung von Zug- UND Druckphase und dass ihr in der Druckphase auch noch Druck auf der Hand/dem Arm habt (da kommt nämlich der Name her). Ihr könnt das vollständige Ausführen überprüfen, indem ihr mit dem Daumen in der Phase versucht Euren Oberschenkel zu berühren, bevor Ihr in die Rückholphase über geht. Und ja, am Anfang darf das dann auch Muskelkater geben.

Ähnlich verhält es sich mit dem zweit liebsten Spielzeug des Triathleten, dem Pull Buoy – und nein, es heißt NICHT Pool Boy, auch wenn frau den sich auch zwischen die….ähhh…egal.
Immer wieder zu beobachten: Triathleten, die Kilometer um Kilometer mit der Auftriebshilfe zwischen den Beine schrubben (gerne auch in Kombination mit den Paddels). In nicht wenigen Fällen sind die Herrschaften sogar recht flott unterwegs – aber nimmt man ihnen den Schaumstoff weg, ist das oft überhaupt kein schöner Anblick mehr und in einigen Fälle dem Ertrinken ähnlicher denn dem Schwimmen. Auch hier ist meistens das mangelnde Wassergefühl ein großes Problem. Die Beine sacken nach unten, die Hüfte wird instabil, die Rotation unkontrolliert.

Tipp: Eigentlich ist es offensichtlich, aber regelmäßiges Schwimmen ohne Pull Buoy oder andere Auftriebshilfe und OHNE Beinschlag (also NUR Arme) wirkt hier wunder. Ein stabiler Rumpf-Bereich erleichtert die Sache ungemein (also ran an die ungeliebten Stabis). Mit etwas Körperspannung sacken die Bein nicht weg (Ihr könnte gerne probieren, ob Ihr, wenn Ihr nur mit den Armen schwimmt, mit den Fersen die Wasseroberfläche durchstoßen könnt). Wem das nicht gelingt, der kann auch leichte Korrekturbeinschläge für den Anfang einbauen.

Ein viel beanspruchtes Maklersprichwort besagt: “Eine gute Lage ist eine gute Lage ist eine gute Lage.” Das kann man für das Schwimmen genau so übernehmen. Wenn Hilfsmittel und Spielzeuge dazu eingesetzt werden, etwas zu korrigieren, was ohne sie einfach nicht oder nur mit viel Anstrengung geht, dann wirken sie in der Regel kontraproduktiv. Im Endeffekt bedeutet dies: Paddles nur einsetzen, wenn der Armzug technisch komplett sauber ausgeführt werden kann und das Kräftigungstraining ohne Hilfsmittel an seine Grenzen gekommen ist, Pull Buoy dann einsetzen, wenn man eine halbwegs saubere Wasserlage auch ohne Auftriebshilfe beherrscht.

Nicht vergessen: Hilfsmittel sollten wenn überhaupt gezielt im Training eingesetzt werden. Wenn ich Paddles für das Krafttraining verwende, dann sollte die Trainingseinheit dazu passen. Das gleiche gilt für den Pull Buoy – in einem Techniktraining ist er richtig aufgehoben, das Gerät einfach so einsetzen, weil es gerade da ist und weil es das Training einfacher macht, ist eher eine schlechte Idee.

Tipp: Versucht Euer Wassergefühl zu entwickeln. Beobachtet Euch selber beim Schwimmen, versucht Euch Eure Lage im Wasser, Euren Krafteinsatz und Euren Bewegungsablauf bewusst zu machen und zu visualisieren. Nutzt dazu auch Hilfe von außen. Sich selber beim Schwimmen auf Video zu beobachten, ist manchmal optisch gar nicht zu schön, aber versucht es mit Eurem Wassergefühl in Einklang zu bringen. Wenn sich die Rotation richtig angefühlt, Ihr aber im Video seht, dass Ihr Euch fast in Rückenlage befindet, dann gilt es, hier am Wassergefühl zu arbeiten.
Macht Gleitübungen: stoßt Euch mit Körperspannung unterwasser von der Wand ab und gleitet, so weit es gelingt (wenn Ihr dabei das Gleichgewicht verliert und anfangt zu rotieren, müsst Ihr weiter am Wassergefühl arbeiten). Oder dreht Euch direkt aus der Kraullage während des Schwimmens in die Rückenlagen und schwimmt direkt weiter. Wenn Euch dass ohne Mühe und Rumgezappel gelingt, seid Ihr auf einem guten Weg.

Als Abschluss vielleicht noch folgende kleine Anekdote: Zu den Zeiten, als ich nur aktiver Schwimmer war (vor fast unglaublichen 20 Jahren), gab es bei uns im Training als Spielzeug maximal ein zerkautes Schwimmbrett. Dieses haben wir mehr oder weniger auch als Auftriebshilfe zwischen die Beine geklemmt. Allerdings hat dass das Schwimmen eher erschwert, da es mit dem Brett anstrengender war, das Gleichgewicht zu halten und zudem definitiv überschüssigen Auftrieb produziert hat. Als Paddels gab es zwei Kunststoffrechtecke (ohne Löcher) mit Plastikschlauchstücken als Fingerhalterung bei denen schon das Eintauchen ins Wasser einem kleinen Stunt gleich kamen (in der Raumfahrt hätte man wohl vom Abprallen an der Atmosphäre gesprochen).
Alles in Allem war und bin ich über 90% meiner Trainingszeit im Schwimmbecken ohne Gimmicks und Schnickschnack unterwegs (auch wenn ich mir dann beim Beintraining ab und an doch mal ein Pull Kick wünsche). Geschadet hat es wohl nicht, denn ich gehöre immer noch zu den eher zügigeren im Wasser.