Tipps For Freaks: Meine Damen und Herren, wir haben doch keine Zeit

“Wie schaffst Du das eigentlich zeitlich?” –  eine Frage, die mir in letzter Zeit zum Thema Training und wann ich trainiere des Öfteren gestellt wurde – und ein prima Anlass, eine neue Serie hier auf diesem Blog zu starten: die Tipps For Freaks.

Vorne weg sollte ich aber darauf hinweisen, dass ich dank der Möglichkeit des Homeoffices und der flexiblen Arbeitszeit zu den zeitlich privilegierten Menschen gehöre und somit mich mit einigen Problemen, die ein 8:00-17:00 Job (oder jede andere Variante der starren Arbeitszeit) mit sich bringt, nicht herumschlagen muss. Die hier vorgestellten Tipps haben dennoch Allgemeingültigkeit und finden auch in meiner Planung Ihre Anwendung.

Zuallererst muss man sich allerdings darüber klar werden, für welches Ziel man eigentlich trainieren will und auch sich selbst gegenüber bezüglich des Umfangs gnadenlos ehrlich sein. Für einen 5 km Lauf oder um einen Jedermann Triathlon zu finishen reichen sicher 2-3 Stunden Training die Woche, will man dies auch noch in einer guten Zeit erreichen können es gerne auch schon einmal 5 Stunden werden. Wenn es Richtung Halbmarathon oder Olympische Distanz geht werden auch schon mal 8-10 Stunden draus und das Projekt Halbdistanz oder Ironman erfordert mit Sicherheit eine Anzahl zweistelliger Trainingsstunden pro Woche, wenn man sich eine halbwegs vernünftige Zielzeit gesetzt hat.

Nun gilt es, diese Stunden als normaler Arbeitnehmer und Nicht-Profi irgendwie in den eigenen Wochenrhythmus zu integrieren. Drei erfolgversprechende Methoden hierfür sind

  1. Lücken finden
  2. Zeitfresser eliminieren
  3. Kompromisse schließen

Es folgt eine entsprechende detaillierte Anleitung…

1. Lücken finden

Jawoll, dazu gehören auch so unangenehme Ding wie sich Lücken zu schaffen – oder anders ausgedrückt: Wenn ich weiß, dass ich zwischen Frühstück und der Abfahrt zur Arbeit eine halbe Stunde habe, dann muss ich einfach noch eine halbe Stunde früher aufstehen und Schwupps, passt da wunderbar ein 10 km Waldlauf in die Lücke. Wer noch 10 Minuten früher aufsteht, kann danach sogar noch duschen und verärgert somit nicht die Kollegen. Zudem muss so etwas ja auch nicht jeden Tag statt finden (was nicht bedeutet, dass es das nicht kann). Und ein Runde durch den Wald ist als Start in den Tag ja sowieso nie verkehrt.
Genau so verhält es sich am Wochenende, wenn man genau weiß, dass das Familienleben erst um 10:00 Uhr startet (elende Langschläfer). Wenn man es wirklich ernst meint, quält man sich auch mal um 7:00 aus den Federn und hat dann Zeit für eine dreistündige Radausfahrt. Um den familiären Frieden mit dem Partner nicht zu gefährden sei jedem angeraten, benötigte Kleidung und Ausrüstung bereits am Vorabend bereit zu legen um den Längerschläfer nicht mit unbeabsichtigt auftretenden Räumgeräuschen aus seinem Schlummer zu reißen. Wer die Familienkompatibilität noch einmal erhöhen möchten, hält auf dem Rückweg kurz beim Bäcker und bringt die Brötchen für das gemeinsame Frühstück direkt nach Hause mit (zumindest wurde mir das nahe gelegt).
Auch die Mittagspause kann zu einer Trainingseinheit umfunktioniert werden, und unter den Kollegen finden sich mit Sicherheit ein paar motivierte Opfer Mitläufer, die sich zu einem regelmäßigen Lauftreff motivieren lassen. Es sei übrigens jedem angeraten, die Kollegen nicht gleich kaputt zu laufen, denn sonst dreht man sehr schnell seine Runden wieder alleine.
Lange Läufe kann man zudem prima zu Familienausflügen umbauen. Während ein Teil der Familie die bekannten 20 Kilometer zu einem nahe gelegenen Spielplatz, Park, Einkaufszentrum, etc. in einem gemächlichen Tempo auf dem Rad zurücklegt, kann der ambitionierte Sportler dies laufend tun. Im Sommer entsteht der nette Nebeneffekt eines Verpflegungsservices für unterwegs (vorausgesetzt man läuft nicht zu schnell und hängt seine Begleiter ab).
Letztendlich lässt sich auch der Weg zu und von der Arbeitsstelle in eine Trainingseinheit umwandeln, je nach Distanz zu einer Lauf- oder zu einer Radeinheit (Venezianer können diese gerne auch schwimmend zurücklegen).
Dies ist lediglich mit ein klein wenig organisatorischem Aufwand verbunden: Man sollte sich vorher darüber informieren, ob das eigene Büro über Duschmöglichkeiten verfügt (aus offensichtlich und oben bereits umschriebenen Gründen). Weiterhin ist es hilfreich, bürotaugliche Kleidung am Arbeitsplatz zu deponieren, um diese nicht immer mitführen zu müssen.

2. Zeitfresser eliminieren

Eigentlich ist dies viel mehr ein genereller Hinweis,über den sich jeder mal seine Gedanken machen kann oder sollte.
Wie viel Zeit verbringen wir am Tag mit Dingen wie Facebook, Youtube…hier beliebige weitere Online-Aktivitäten einsetzen… oder sitzen vor der Playstation, schreiben SMS oder kommen gerade nicht von der Couch hoch. Reicht es nicht auch, wenn man Abends nur zwei anstelle von drei Stunden vorm Fernseher hängt? Passiert es nicht jedem von uns, dass wir nur mal schnell was im Internet schauen wollten – und Schwupps, geht eine halbe Stunde ins Land.
Im Einzelnen fällt das vielen nicht auf, fünf Minuten hier, 20 Minuten da. Wenn man sich aber mal die Mühe macht, dies mit einem Werkzeug seiner Wahl (Notizblock, Excel, Abakus) aufzuaddieren, wird man feststellen, wie viel Zeit in hier in kleinen Häppchen “weg gefressen” wird.
Mit ein wenig kreativer Reorganisation wird der ein oder andere garantiert noch ein oder zwei Stunden zusammenkratzen können.

3. Kompromisse schließen

Eigentlich steht eine dreistündige Radeinheit im Plan, aber der Familienkalender sagt, es steht noch Kaffee und Kuchen bei der Oma an. Kurz nachgerechnet und erschreckt festgestellt: Es reicht nur noch für eine zweistündige Ausfahrt. Was soll man da nur machen, der Trainingsplan ist im Eimer.
Nein, ist er nicht! Unsere Ambitionen sind nicht immer mit unserem realen täglichen Leben kompatibel. Müssen sie auch gar nicht sein, wir müssen nur flexibler werden.
Wenn die drei Stunden Grundlagen gerade nicht passen, dann werde es halt nur zwei. Ein Blick in den Kalender wird schon zeigen, wann dann die lange Tour nachgeholt werden kann. Manchmal ergeben sich die Möglichkeiten auch kurzfristig. “Du, ich habe mich heute Nachmittag mit einer Freundin verabredet, passt das?” – “Kein Problem, Du findest mich dann in meinem Sattel”.
Das mag nicht jedem Trainingsplan-Fetischisten passen (“Grummel, Abweichungen bringen alles durcheinander”), ist aber für jeden der nicht Profi ist und ein reguläres Leben führt, Alltag. Dann muss halt mal das Intervalltraining vorgezogen werden, weil es zeitlich nicht anders in den Plan passt.
Letztendlich ist “ein bisschen trainiert” immer noch besser als überhaupt nicht trainiert. Jeder sollte also für Kompromisse offen sein.

Fazit

Die Möglichkeiten, die ich hier vorgestellt habe, werden mit ziemlicher Sicherheit so nicht für jeden zutreffen – aber sie bieten Ansatzpunkte welche man nutzen kann, um selber eine Strategie zu entwerfen, wie man die Zeit, die man für seine selbst gesteckten Ziele benötigt, “zusammenkratzen” kann.
Ich selber habe es geschafft mir so 10-12 Stunden in der Woche für Training freizuräumen, wenn ich sie benötige, ohne dass ich auf viele meiner Gewohnheiten verzichten muss.
Ich denke, wenn man sich für den Sport entscheidet, dann weiß man, dass man hinein investieren muss (vor allem zeitlich). Dem entsprechend sollte es einen auch weniger stören, wenn dafür andere und/oder alte Gewohnheiten ein wenig kürzer treten müssen.
Wir sind alle keine Profis – unser Leben hängt nicht von unserem Sport ab. Wir haben den Luxus selbst entscheiden zu können, wie viel oder wie wenig wir Sport in unser tägliches Leben einbauen wollen und können. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben entscheidet hier wohl auch das richtige Augenmaß.