Tipps For Freaks: Ausdauer-Lego oder wie wir uns einen Trainingsplan basteln

Fast jeder, der sich mit dem Ausdauersport-Virus infiziert hat und etwas ambitioniertere Ziele verfolgt, kennt das Problem: Wie gestalte ich mein Training, um das Bestmögliche aus mir herauszuholen und wo bekomme ich einen Plan dafür her?

Die Antwort erscheint auf den ersten Blick doch gar nicht mal so kompliziert – einen Plan für das Training, in Fachkreisen auch Trainingsplan genannt (Aha), ist in vielfacher Form in diversen Ratgebern und/oder auch mittels noch diverseren Suchwerkzeugen im Netz zu finden. Auf Seiten diverser Sportartikelhersteller und Fitness-App-Anbietern gibt es eben diese genau so zu finden, in vielen Fällen gegen die Zahlung eines kleinen Obolusses, mit interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten und namentlich abgesegnet von diversen (Ex-)Spitzenathleten.
Das Problem: hat man sich erst einmal einen solchen Plan rausgesucht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man früher oder (im ungünstigsten Fall) auch eher später feststellt, dass das, was da so geschrieben steht, eigentlich gar nicht mal so richtig zum eigenen Leistungsprofil und den eigenen Anforderungen passt. Gerade im Multisportbereich (Triathlon) sieht man viele Trainingspläne, die von einem einheitlichen Niveau in allen Teildisziplinen ausgehen, was aber wohl in den seltensten Fällen wirklich realistisch sein dürfte (über die Schwimmqualitäten einens durchschnittlichen Triathleten habe ich mich ja schon diverse Male ausgelassen).
Da aber dem gemeinen Ausdauerjunkie sein Trainingsplan hoch und vor Allem heilig ist (besonders wenn er auch noch Geld dafür abgedrückt hat), wird das schriftlich vorhandene Programm gnadenlos durchgezogen, obwohl sich evtl. die Erkenntnis einstellt, dass das Programm vielleicht doch zu hart oder evtl. sogar zu weich ist (hier mögen sich die quasi-religösen Verehrer von Laufpäbsten wie Steffney oder Greiff angesprochen fühlen, die in diversen Foren fast schon so etwas wie Religionskriege austragen).

Was also tun?

Letztendlich bleiben zwei Alternativen übrige:

  1. Wir mieten uns einen Coach (von denen es ja mittlerweile auch nur so wimmelt und die es unabhängig von ihren finanziellen Entlohnungsvorstellungen auch in diversesten Qualitätsstufen gibt.)
  2. Wir basteln uns einen eigenen Trainingsplan nach unseren Bedürfnissen

Hier und heute will ich versuchen, für 2.) eine kleine Bauplan zu liefern.
Vorne weg: ich bin kein gelernter Coach und mein Kenntnisstand im Bereich der Trainingswissenschaften ist wohl eher mit “rudimentär” zu bezeichnen. Von diesem ominösen “langen langsamen Lauf”, welchen man als Ausdauersportler “unbedingt machen muss”, habe ich auch schon mal gehört, bis heute aber vermutlich noch keinen einzigen dieser Art jemals wirklich durchgezogen. All dieser Fakten zum Trotz scheine ich nicht ganz so schlecht in meinem Sport zu sein – dem Interessierten sei hier meine Leistungsübersicht ans Herz gelegt – und aus sicherer Quelle weiß ich, dass sich viele “gecoachte” Athleten in den Ergebnislisten hinter mir befinden. 😉

Kommen wir also zum eigentlich Kern und gehen unsere Bastelstunde mal chronologisch an, beginnen also am Anfang. Warum überhaupt ein Trainingsplan, man kann doch auch so einfach Laufen (Radfahren, Schwimmen, Minigolf spielen, etc.). Die Antwort(en) hierauf ist/sind recht einfach:

  • Motivation: ich nehme mir vor, bestimmte Vorgaben/Aufgaben, die ich mir selbst gestellt habe, zu erfüllen. Stelle ich mir diese Aufgaben, bevor ich mit dem eigentlichen Training beginne (in Form eines Planes), ist das Risiko recht kleine, dass ich aus einer Laune heraus eine unbequeme Trainingseinheit gegen eine einfachere Tausche, “weil mir gerade nicht nach Anstrengung ist”. (“Verdammt noch mal, wer hat denn heute schon wieder die 1000m Intervalle in meinen Plan geschrieben”) oder diese gar ganz ausfallen lasse. Sollte man dies doch tun, so hilft vermutlich auch der beste Plan nichts. 😀
  • Reproduzierbarkeit: Vor vielen Wettkämpfen stellt man sich die Frage: “Wie habe ich eigentlich das letzte mal trainiert, als ich so eine geniale Zeit raus gehauen habe”. Hat man nun seine Pläne schon ordentlich dokumentiert und archiviert, dann hilft ein einfacher Blick in diese Aufzeichnungen und voilà, schon weiß man wieder, was zu tun ist. Analoges gilt übrigens auch für das Gegenteil: Wenn man es mal wieder in einer Trainingsperiode übertrieben hat und danach dahin siecht, mag ein Blick in die Planung einen gewissen Aufschluss darüber bereit halten, was denn schief gelaufen ist.
  • Übersicht / Organisation: Oft hilft es, Über- oder auch Unterbelastungen zu identifizieren, wenn man sich die eigenen Trainingsideen vorher in einem Plan visualisiert. Bei dem ein oder anderen stellt sich dann die Erkenntnis ein, dass drei bis fünf harte Einheiten hintereinander eine vielleicht gar nicht so gute Idee sind und man das Training eventuell ein wenig entzerren möchte. Organisiert man seine Pläne in digitaler Form (Excel, Open Office Calc, diverse Coaching Applications), lässt sich sogar durch Copy/Cut/Paste die Planung sehr komfortabel umgestalten.

Nun aber zum Kern der Sache: Wie baut man den eigentlich Plan? Jenseits von Fachtermini wie Makro- oder Mikrozyklus lässt sich die allgemeine Trainingsplanung auf den allgemeinen Nenner reduzieren, dass man über einen gewissen Zeitraum hinweg zu einem fest gesetzten Wettkampf (Wochen, Monate), die Trainingsbelastung bis zu einem vorher festgesetzten Höchstmaß intensiviert.

Beispiel: Wenn es das Ziel ist, den ersten Halbmarathon im Juni zu laufen und ich bisher ein- bis zweimal die Woche 5 Kilometer jogge, dann fange ich nicht an, direkt 21 km am Stück zu laufen, sondern plane eine kontinuierliche Steigerung hin zu diesem Ziel. Sind also 6 Monate Zeit und dass vordefinierte Ziel ist, in einer vernünftigen Zeit diesen Halbmarathon zu absolvieren, so kann ich meine grobe Trainingsplanskizze wie folgt aufbauen:

  1. Monat:  Läufe von 5-6 Kilometern
  2. Monat: Läufe zwischen 7-8 Kilometern
  3. Monat: Läufe bis zu 9-11 Kilometern
  4. Monat:  Läufe bis zu 13 Kilometern
  5. Monat: Läufe bis zu 15 Kilometern
  6. Monat: Halbmarathon

Natürlich macht man solche Läufe nicht dreimal die Woche. Für mich hat es sich als vernünftige Richtlinie erwiesen, einen solchen Lauf immer einmal in der Woche in den Plan einzubauen. Vom Tempo her kann man diesen nach Gefühl dann so gestalten, dass “man gut durch kommt”. Viele Coaches würden wohl hier den langen Lauf empfehlen, allerdings empfinde ich es eher als störend, zwanghaft unter meinem natürlichen Tempo laufen zu müssen.
Wichtig: genau dies sind die Erkenntnisse, die jeder Sportler für sich selbst gewinnen muss. Wenn Ihr fest stellt, dass Euch ein sehr langsamer langer Lauf etwas bringt, dann baut ihn in Euren Plan ein.
Für die weiteren Läufe in der Woche (für eine ordentliche HM Zeit sollten es hier schon zwei weitere sein), kann man sich dann aus dem Pool diverser Trainingsmöglichkeiten bedienen: Fahrtenspiel, Hangläufe, Tempodauerläufe und für die Ambitionierteren natürlich auch die allseits beliebten Intervalle. Diese verteilt man dann so in der Trainingswoche, dass Belastungen und ruhigere Einheiten sich halbwegs abwechseln. Das ist vor allem für Triathleten interessant, die mehr als nur eine Disziplin in den Wochenplänen unterbringen müssen. Ziel soll es ja sein, fit zu werden und nicht, sich zu zerstören (wobei dies gelegentlich auch nicht verkehrt ist, dazu werde ich aber einen separaten Eintrag verfassen).
Ein Wochenplan könnte also wie folgt aussehen:

Montag: 7 Kilometer Tempodauerlauf
Mittwoch: 6 Kilometer Hang-/Berglauf
Freitag: 13 Kilometer Lauf

WICHTIG: Wenn Ihr Euch von Eurem eigenen Plan unterfordert fühlt, haltet Euch nicht sklavisch daran fest, sonder justiert die Anforderungen ein wenig nach oben. Ihr werdet schnell merken, was geht und was nicht! Der beste Ratgeber ist das eigene Körpergefühl, und ja, es darf öfter auch mal richtig weh tun. Wenn Ihr danach zu lange platt seid, dann müsst Ihr die Anforderungen wieder ein wenig zurück schrauben. Try and error heißt es hier.
Nebenbei: ein Coach wird in vielen Fällen, dass Gleiche machen, nämlich darauf achten, wie ihr auf die Trainingseinheiten reagiert und diese entsprechend anpassen.

Als Nächstes baut man Regenerationsphasen in den Plan ein. Wie wir alle irgendwo mal gelernt haben, wird der Körper ja nicht während des Trainings stärker, sondern während der Erholung.
Für mich hat sich ein 3 Wochen / 1 Woche Rhythmus als praktikabel erwiesen, also 3 Wochen mit normalen Trainingseinheiten und eine Woche mit weniger Umfängen und lockeren Einheiten. Wichtig hierbei ist, dass Regeneration nicht bedeutet, überhaupt nichts zu tun, sondern lediglich die Umfänge / Belastungen zu reduzieren.

Packt man nun die geplanten Wochentrainingseinheiten und die Regenerationsphasen zusammen, so erhält man wunderbare (einmonatige) Trainingsblöcke. In diesen kann man nun sukzessive die Umfänge und Belastungen über den Zeitraum bis zum Wettkampf erhöhen (die Regel, die Trainingsbelastung maximal um 10% im Monat zu steigern hat sich hier als sehr hilfreich herausgestellt).
Natürlich sollte man diese Steigerung so dosieren, dass man über das eigentliche Wettkampfziel nicht hinausschießt (es ist einfach nicht sinnvoll, wenn man für einen Halbmarathon trainiert, 30 km Läufe ins Programm einzubauen, nur weil man linear 10% pro Monat gesteigert hat).

Um den Erfolg Eures Trainings und des Plans zu kontrollieren, empfiehlt es sich, nach der Regenerationsphase die eigene Leistung zu überprüfen. Ich selber plane an Montagen nach Regenerationswochen immer einen gezeiteten Tempolauf ein. Hier sollte man nicht ungeduldig zu werden! Es ist illusorisch zu glauben, dass man jeden Monat neue Bestzeiten aufstellen kann. Am Anfang mag das noch funktionieren, aber je besser man wird, desto zäher wird es, ständig seine eigenen Zeiten zu unterbieten (Tipp für die Fortgeschrittenen: 10km Wettkämpfe oder Halbmarathons kann man auch als Trainingseinheiten in den Plan integrieren – dass kann noch einmal einen zusätzlichen Leistungsschub bewirken).

Am Ende des Plans (vor dem Wettkampf) sollte man das Tapering nicht vergessen. Wichtig hierbei: Es gibt wohl nicht das Patentrezept, wie man richtig tapert. Für den einen kann es vernünftig sein, bereits zwei Wochen vor Wettkampf den Trainingsumfang zu reduzieren, während der andere bis kurz vorher weiter trainieren muss, um seine Leistung am Ende auch abrufen zu können. Auch hier gilt, probiert es aus! Nach ein, zwei Versuchen wisst Ihr, was richtig ist.

Nach dem Wettkampf oder der Saison sollte man dann zur Manöverkritik schreiten, bzw. sich mit den Lessons learned auseinandersetzen. Seid ehrlich gegenüber Euch selbst und stellt Euch die entscheidenden Frage: Hat der Plan für mich funktioniert? Was war gut, was schlecht? Wo hätte ich optimieren können?
Mit Sicherheit wird der zweite und dritte Trainingsplan, den Ihr Euch zusammenbaut, anders aussehen, als Euer erster. Es werden Details hinzukommen, Ihr werde für Euch herausfinden, welche Details Ihr dokumentieren möchtet, wie detailiert Ihr Eure Einheiten vorausplanen wollt und wie Ihr für Euch die richtigen Schlüsse daraus ziehen könnt.
Wie bei vielen Dingen ist es ein ständiger Lernprozess, der aber (zumindest mir) sehr viel Spaß macht und inzwischen ein wesentlicher Bestandteil meines Sportlerlebens ist. Natürlich stellt man sich die frage, um wie viel besser es noch werden könnte, wenn man einen professionellen Coach engagieren würde – mir persönlich würde aber ein Kontrollmechanismus für mich selbst fehlen, wenn ich mich nicht eigenständig um mein Training und meine Pläne kümmern würde.

Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp: Lasst Euch auch von anderen Trainingsplänen inspirieren und fragt öfter mal andere Athleten, wie sie ihr Training gestalten. Probiert aus, was Ihr davon gebrauchen könnt, baut es in Euren Plan ein. Was nicht passt, entsorgt Ihr einfach.

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