Da ist sie auch schon, die erste politische Sau, die 2017 durchs Dorf getrieben werden kann: Fake-News, der Untergang des Abendlandes und aktuell wohl eine der größten Gefahren für das Allgemeinwohl, welcher sofort und mit gar furchtbaren Konsequenzen gesetzlich begegnet werden muss…sagen einschlägige Politiker.
Und wenn einschlägige Politiker – wie Frau Kühne-Hörmann – so etwas sagen, dann wird es Zeit, mal wieder einen Blick auf das politisch unentdeckte Neuland “Internet” zu werfen.
Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung “manipulativer Kommunikation im Internet”, so schwebt es den Landesregierungen in Hessen, Sachsen-Anhalt und Bayern vor. Darin sind unter anderem der Vorschlag enthalten, das Eindringen in fremde Computersystem auch ohne Verursachen von Schaden unter Strafe zu stellen (oha, welch grandiose Idee), ebenso wie die Verwendung sogenannter Social Bots oder Social Bots-Netzwerken. Wer sich das gesamte Machwerk antun möchte, dem kann hier geholfen werden.
Bisher war ich immer der Meinung, dass ein Eindringen in fremde Computer oder Netzwerke auch so schon eine strafbare Handlung darstellt (§ 202a StGB – Ausspähen von Daten), lag damit aber ein wenig daneben. Wenn man nämlich die Augen zu macht und sich nichts von dem anschaut, was da so auf dem anderen System rum dümpelt, so ist das noch nicht illegal. Will ich das System kompromittieren und für schadhafte Zwecke einsetzen, kommt man aber überhaupt nicht drum herum in irgend einer Form mit irgend welchen Daten auf dem anderen System herumspielen zu müssen, wird sich also auch ohne diese Gesetzesänderung strafbar machen. Und inwiefern diese Idee Fake-News bekämpfen soll, bleibt wohl der Obrigkeit ihr kleines Geheimnis.
Nicht viel anders verhält es sich mit dem unter Strafe stellen der Verwendung von Social Bots in den einschlägigen Netzwerken. Die meisten Sozialen Netzwerke verbieten bereits den Einsatz eben solcher in ihren AGB, wie allgemein bekannt mit riesigem Erfolg [IRONIE OFF]…
Ich habe keine Ahnung, wie sich die hessische Justizministerin oder irgend jemand aus den Kreisen der Neuland-Expeditionsteilnehmer einen Social Bot vorstellt, aber es handelt sich in den meisten Fällen nicht um irgend ein kleines elektronisches Männchen, dass bei einem Fake-News Verbreiter im Keller sitzt und das man beschlagnahmen könnte. Genau genommen ist die Technologie ja nicht einmal irgendwie groß geheim oder gar bösartig, denn auf etlichen Plattformen existieren Social Bots ganz legal und werden sinnvoll eingesetzt, zum Beispiel in Chats zur Unterstützung von Moderatoren, um auf immer wiederkehrende Fragen zu antworten, als technischer Support, etc.
Der Social Bot wird also nur zu einem Problem, wenn er ganz gezielt zur Manipulation eingesetzt wird und strafbar macht sich der “Bot-Herr” auch nur dann, wenn eben diese Manipulation gesetzeswidrig ist.
Von einem technischen Standpunkt aus betrachtet sind diese Gesetzes-Vorschläge also ziemliches Gemüse und dürften darauf begründet sein, dass für die meisten Herrschaften in den Bundes- und Landtagssausschüssen, dass Internet immer noch so ein Ding ist, das aus einem Kabel in der Wand kommt (wie Fernsehen, nur in beide Richtungen).
Kommen wir zu der viel interessanteren Frage, was eigentlich Fake-News sein sollen, warum sie (angeblich) ein Problem sind und was man dagegen tun könnte.
Die einfachste Form der Fake-News in freier Wildbahn ist wohl die Behauptung einer falschen Tatsache, beliebig mit falschen Quellen gewürzt oder irgendwelchen abstrusen Statistiken oder ominösen Untersuchungen unterlegt.
Auch wenn der Begriff “Fake-News” suggeriert, dass dies ein neumodisches Phänomen aus diesem seltsamen Internet sein soll, so gab es die Fake-News eigentlich schon immer, wenn auch weniger zugänglich, dafür aber auch weniger flüchtig. Seien es Flyer irgendwelcher politischen (oder anderer xyz-) Aktivisten, mit denen man in Fußgängerzonen versucht (hat), Meinung zu machen, Broschüren, Graffitis, gezielt gestreute Gerüchte, die sich dann über Hörensagen verbreitet haben und nachgebrabbelt wurden, fehlerhafte Informationen waren immer Teil in der breiten gesellschaftlichen Meinung.
Durch soziale Medien ist es nur viel bequemer geworden, diese unter das Volk zu bringen. Das mühselige “Handverteilen” solcher Informationen kann jetzt bequem von der Tastatur aus erledigt bzw. automatisiert werden.
Die etwas komplexere Form der Fake-News ist der Fakten-Remix, also das Umordnen oder neu anordnen kontextueller Bestandteile von Nachrichten (man nehme Meldung X, gebe einen ordentlichen Schuss von Statistik Y hinzu und rühre ein paar aus dem Kontext gerissene Zitate glaubhafter Prominenter – zum Beispiel Kabarettisten oder Schauspieler – darunter). Jeder einzelne Bestandteil an sich mag richtig sein, in der Zusammenführung ergeben sie jedoch ein bewusst falsches Bild (Beispiele sind im Brexit- oder Trump-Wahlkampf in Massen zu finden).
Und all dies soll per Gesetzen jetzt unterbunden werden. Stellt sich die Frage: Wie soll das funktionieren? Ein bisschen weiter gedacht, und schon stellen sich einem die Nackenhaare auf. Technisch mag es möglich sein, Fake-News zu verfolgen und auszusieben. Aber wer gibt die Regularien vor, nach denen solche Meldungen “ausgefiltert” werden sollen, wer überprüft und wer vollstreckt?
Der Schritt zu einem Wahrheitsministerium in welchem Informationen in “ordentlich” und “unangemessen” eingeteilt werden, ist erschreckend kurz.
Wenn man sich vor Augen führt, wie oft ein Beitrag des Postillions für Bare Münze genommen wird, wie oft bewusst satirische Falschmeldungen als “reale” News geteilt werden, dann wird einem sehr schnell klar, an welchen Grundpfeilern hier gesägt wird. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Meldung wirklich als Fake abgestempelt werden kann? Werden die Menschen, die den etablierten Medien sowieso nicht glauben, durch das Unterdrücken von Falschmeldungen und Fake-News plötzlich geläutert und lassen sich überzeugen, dass die Lügenpresse gar nicht so Lügenpresse ist, wie sie es gerne hätten? Ich glaube nicht.
Ich denke, dass hier wie so oft die Katze von der falschen Seite aus gesattelt wird. Anstelle eines Gesetztes zur Bekämpfung von Symptomen wäre es wohl eher hilfreich, wenn sich der eine oder andere Volksvertreter die Frage stellen würde, warum Fake-News in einer solchen Breite auf fruchtbaren Boden fallen.
Allgemein wurde bei vielen politischen Parteien dem Begriff Glaubwürdigkeit maximal ein Nischen-Dasein gewährt. Das die “Was kümmert mich mein Geschwätz von Gestern”-Mentalität irgendwann an ihre Grenzen stoßen würde, ist dabei nur natürlich, ebenso wie die Tatsache, dass es nur zweitrangig ist, was ein Politiker / eine Regierung / eine Bewegung erreicht hat oder auch nicht. Glaubwürdigkeit bekommt man nicht geschenkt, Glaubwürdigkeit muss man sich aktiv erarbeiten.
Fake-News funktionieren aus Mangel an guten Alternativen. Jeder glaubt, was ihm am plausibelsten erscheint und wenn jemand es nicht schafft, seine Informationen glaubhaft zu vermitteln, macht er es den Gerüchtestreuern nur einfacher.
Das sich diverse Ministerien, Behörden, Nachrichtenagenturen und auch die Öffentlich-Rechtlichen gerade in den letzten Jahren nicht immer mit Ruhm bekleckert haben, ist denke ich keine neue Erkenntnis. Sätze wie “Teile der Antwort würden die Bevölkerung verunsichern” oder Meldungs-Desaster wie die letztjährige Kölner Silvesternacht mit all dem Vor- und Zurückgerudere sind da nur die Spitze des Eisberges. Gute und qualitativ hochwertige Inhalte sind wichtig, aber man muss sie auch vermitteln können und an dieser stelle krankt es aktuell ganz gemein.
Diese Problem wird aber definitiv nicht dadurch gelöst, dass man alle anderen (falschen) Mitteilungen versucht strafrechtlich zu eliminieren, denn dadurch allein ist man immer noch nicht in der Lage, die vielleicht eigenen guten Inhalte glaubhaft an das Volk zu bringen. Eher im Gegenteil, man spielt den Lügenpresse-Rhetorikern sogar noch in die Karten.
Die Message, die von einem Gesetzt zur Bekämpfung von Fake-News ausgeht ist ziemlich eindeutig: Wir haben Angst, dass Ihr irgend welchen abstrusen Behauptungen, die nicht mal nachprüfbar sind, mehr glaubt, als uns.
Wäre es nicht mal an der Zeit, über diesen Umstand nachzudenken?