Schon wieder Jahresende und schon wieder habe ich hier nicht die Dinge zu digitalem Papier gebracht, die mich dieses Jahr wirklich beschäftigt haben. Offenbar taugt dieser Blog nur noch dazu, meinen traditionellen Jahres-End-Rant zu publizieren. Folglich werde ich diesen auch ganz traditionell – darf man das heutzutage eigentlich noch? – pünktlichst zum Besten geben. Sozusagen als Aggregation dessen, was ich dieses Jahr nicht los geworden bin. Also schnallt Euch an, setzt einen Helm auf und lasst Eure Empörunsdrüsen glühen!
Eines habe ich dieses Jahr durchaus eindrucksvoll gelernt, obwohl sich eine Tendenz schon in den letzten Jahren abgezeichnet hat: Satire darf ALLES! Sie darf polarisieren, polemisieren, beleidigen, simplifizieren, sie muss nicht gut recherchiert oder gar fundiert sein. Es ist ja Satire und die Verteidiger eben jener “Kunstform” werden nicht müde dies zu betonen. Zumindest solange, wie das satirische Machwerk genau ihren Meinungen entspricht. Aber wehe, sie läuft genau dieser eigenen Meinung entgegen. Dann muss die Satire, die bis gerade eben noch alles durfte, fundiert, sachlich und präzise sein und am Besten auf wissenschaftlichen Fakten beruhen.
Es darf, sogar von richterlicher Seite bestätigt, beleidigt und diffamiert werden was das Zeug hält. Am Ende muss man dann halt zurückrudern oder die “Satire darf alles”-Karte spielen. Nur, wenn Ihr eine solche Karte spielt, dann solltet Ihr auch faire Verlierer sein, wenn plötzlich die Richtung aus der die “Satire” kommt Euch unangenehm wird, weil sie im besten Falle vielleicht nicht Eurer Meinung entspricht und im schlimmsten Falle Ihr Euch ertappt fühlt. Es hat mich doch erstaunt, wie viele aufrechte Verteidiger der Meinungsfreiheit und der totalen Satire plötzlich Zensur schreien, wenn der satirische Wind mal aus der falschen Richtung weht.
Nun habe ich im vorherigen Absatz genau diese Kunstform, wenn es denn eine solche ist, in Anführungszeichen gebettet. Dafür gibt es genau einen Grund: All das was sich heute als Satire bezeichnet kann man zu einem sehr hohen Prozentsatz in die Tonne treten, denn gute Satire braucht keine Schimpfworte, Beleidigungen oder billige Polemik. Wer so etwas abfeiert fährt diese Kunstform auf das Niveau eines “Comedians” des Typs “Mario Barth” herunter. Das hat nichts mehr mit Spiegel vorhalten und überspitzten Darstellungen zu tun. Es ist billige Effekthascherei, die sich auf einer Ebene mit den Werkzeugen der Springer-Presse bewegen. Gute Satire schlägt Dir nicht mit der flachen Hand ins Gesicht und freut sich darüber, dass Du “Aua” sagst. Gute Satire ist subtil, legt Missstände mit einem Skalpell und nicht mit einer Kettensäge offen und ist definitiv kein Fastfood, dass man einmal kurz in den multimedialen Kanälen dieser Republik verfüttert, nur um dann zu schauen, wer davon kotzen muss.
Die entscheidende Frage ist: Gibt es so etwas noch? Ja, aber nicht in den medialen Kanälen dieser Republik. Wie ich in den letzten Wochen lernen durfte und musste, gibt es Kabarettisten und Satiriker, die für das Programm der öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten (großen Dank für diese Wortschöpfung an Georg Schramm) entschärft werden müssen. Und dass, obwohl ihr gesamtes Bühnenprogramm kein einziges Schimpfwort, keine Fäkalsprache und keine direkten Verunglimpfungen enthält. Es ist lediglich politisch absolut inkorrekt und zwar in jedermanns und auch fraus Richtung. Und das erträgt die breite Öffentlichkeit nicht (mehr).
Also Ursachenforschung? Lieber nicht, es wäre zu desillusionierend. Diese Tendenz, sich selbst mit banalstem plakativem Schwarz-Weiß-Denken für intellektuell, weltoffen und aufgeklärt zu halten hat in den letzten Jahren wirklich neue Höhen erreicht. Bei jeder Diskussion wirft man mit Links und Webseiten um sich, die die eigene Position zu untermauern scheinen und klickt solche ganz schnell weg, die eventuell das eigene Weltbild nicht hundertprozentig stützen. Sollte doch eine solche Quelle ins Feld geführt werden, dann setzt man sich nicht mit den Inhalten auseinander, sondern die erste Reaktion ist immer, den Urheber und Autor zu diskreditieren. Es wird viel öfter eine akribische Biographie-Recherche betrieben, um irgendwo irgendwas zu finden, was einen Autor als politisch extrem, unwissenschaftlich oder populistisch entlarven soll, obwohl man die gleiche Energie ebenso in den Inhalt eines Artikels, eines Textes oder eines Buches stecken könnte, um sich vielleicht wissenschaftlich und/oder sachlich damit auseinander zu setzen. Interessant, nicht wahr?
Wie komme ich jetzt darauf? Wie oben schon erwähnt, wird bösartige “Satire” gerne als fundierte Tatsache hingenommen, wenn sie in das gerade vorherrschende eigene Weltbild passt. Hinterfragt wird nicht, schon gar nicht hinterfragt man sich selbst. Aber wehe, es läuft der eigenen Meinung oder gar einer harten Überzeugung entgegen. Dann wird mit (pseudowissenschaftlicher) Akribie all das auseinander genommen, was eben einer solchen “Untersuchung” gar nicht standhalten kann, weil es dafür auch nie geschaffen wurde.
Untermauert wird ein solcher Aktivismus mit dem inzwischen meist überstrapazierter Satz der letzten Jahren: “Die Wissenschaft ist sich einig, dass…”. Das ultimative Totschlagargument. Und leider auch – ohne das es jemand merken würde – der Satz welcher, wenn er denn korrekt wäre, bedeuten müsste, dass wir alle am Arsch sind.
Ich weiß nicht genau wie viele Menschen, die diesen Satz in welcher Form auch immer von sich geben, wirklich selber studiert haben. Aber eines weiß ich: Jeder, der ansatzweise gelernt hat, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, sollte die Fatalität dieses Satzes erkennen: Die Wissenschaft (die man im Übrigen auch nicht verallgemeinern kann oder sollte) darf sich nicht einig sein, NIEMALS! Eine Wissenschaft, die sich einig ist, ist tot. Jede Wissenschaft muss konstant und zu jeder Zeit ihre Erkenntnisse hinterfragen, muss immer zweifeln und ihre Theorien jeglicher Art von Gegenprüfung unterziehen. Eine Wissenschaft darf eine etablierte Theorie haben, ein Modell, welches aktuell als das Richtige angenommen werden kann. Aber keine Wissenschaft und kein seriöser Wissenschaftler darf sich hinstellen und dieses für unangreifbar erklären oder sich dagegen wehren, dass eine Theorie von anderen Wissenschaftlern hinterfragt wird. Wenn dies geschieht wird die Wissenschaft zu einer Religion und die Verfechter des oben genannten Satzes zu Jüngern und Missionaren. Und damit trägt man die Wissenschaft, möglichen Fortschritt und eventuell wichtige Erkenntnisse zu Grabe.
Andererseits passt ein solches Verhalten doch ganz gut in die aktuelle Zeit. Immer dann, wenn Menschen sich von der allgemeinen Situation überfordert fühlen, komplexe Geschehnisse nicht mehr (be)greifen könne oder ihre Existenz gefährdet sehen, sucht man sich ein Glaubenskonstrukt, welches die Welt für einen simplifiziert. Eines, dass einem plausibel und vor allem mehrheitsfähig erscheint. Sie verlangen Instanzen, auf die sie sich verlassen könne: Führergestalten/Erlöser, die ihnen eine Stoßrichtung vorgeben, argumentative Instanzen, auf die sie sich berufen können und natürlich Feindbilder, die sie nach innen hin zusammenschweißen und von denen sie sich nach außen hin abgrenzen können.
Schaut man sich in der Welt um, dann findet man genau dies…auf ALLEN Bühnen, nicht nur den politischen. Vermeintliche Satire ist da nur eine von vielen Auswüchsen. Gespaltene Gesellschaften, Nährboden für dumpfen Populismus, bei welchem sich wirklich jeder mal prüfen sollte, ob er oder sie nicht vielleicht auch auf plakativen Blödsinn hereingefallen ist oder diesen sogar selbst noch befeuert.
Es richt verdächtig danach, dass wir uns in Richtung eines intellektuell eher düsteren Jahrzehnts bewegen.
Willkommen in den 20ern
Over and out…