Die Laufsicht: Breisgau Triathlon 2016 – eine ganze halbe Sache

Ob es so etwas wie “einfache” Halbdistanzen gibt weiß ich nicht und kann es mit meinem aktuellen Erfahrungsschatz auf dieser Strecke auch nicht beurteilen. Eines steht aber fest: Für meine Premiere auf dieser Distanz habe ich mir, versehentlich, wohl eines der härtesten Rennen in dieser Kategorie – so der allgemeine Tenor in vielen Foren –  in unsern Breiten ausgesucht…und es war jeden Meter dieser Strecke wert!

Eigentlich sah der Plan für meine Mitteldistanz-Premiere ein wenig anders aus: Nachdem bereits die Entscheidung gefallen war, die (Half) Challenge Almere-Amsterdam zu meinem Hauptwettkampf des Jahres zu machen, wollte ich vorher noch einen regionalen Testlauf über diese Distanz in meinen Kalender aufnehmen. Da außerhalb von Challenge und Ironman Halbdistanzen leider ein wenig rar gesät sind, blieb die Ausahl zwischen dem Moret-Triathlon und dem Weilburgman, auf welchen auch meine endgültige Wahl fiel. Pünktlich zum Jahreswechsel war die Anmeldung raus, die Startgebühr überwiesen und der Termin im familiären Kalender geblockt. Also alles im Lot – so könnte man denken.
Leider nicht so ganz, denn Mitte April kam über Nacht die Meldung, dass der Weilburgman aufgrund von zu hohen Anforderungen an die Radstrecke seitens der Behörden und dem damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand nicht mehr durchführbar sei und für dieses Jahr und auf unbestimmte Zeit nicht mehr stattfinden werde.
So etwas kann passieren und fällt einfach in die Kategorie “Dumm gelaufen” – dem gemeinen Triathleten ist aber auch klar, dass eine Umplanung “so spät” in der Saison auf einen Ersatzwettkampf nicht ganz so einfach ist, wie es am Anfang erscheinen mag. Bei verschobenem Termin stimmen die Trainingspläne plötzlich nicht mehr, die ein oder andere Veranstaltung ist schon ausgebucht, etc. pp. Halt all die Unwegsamkeiten, die sich einem so in den Weg schmeißen können.
Ein freundlicher Kommentar auf die Absageankündigung bei Facebook sollte die Lösung bringen – mir wurde der Breisgau-Triathlon, welcher sogar am selben Wochenende wie ursprünglich der Weilburgman statt finden sollte, als sehr lohnenswerte Alternative nahe gelegt. Ein paar kurze Nachforschungen in diversen Foren und auf einschlägigen Seiten ergaben, dass dieses Event trotz der harten Strecken absolut empfehlenswert sei und gerade durch seine familiäre Atmosphäre besteche. Ursprünglich war der Plan, nichts Überregionales für den Testlauf herauszusuchen, um zumindest den logistischen Aufwand in Grenzen zu halten, aber auch hier entstand aus ein paar Minuten Nachforschung eine im Nachhinein gesehen grandiose Lösung: Ohne diese jetzt näher auszuführen, sollten ein paar Schlagworte genügen – Breisgau, Ferienwohnung, Europapark, Strasbourg, Schwarzwald. Ein voll gepacktes Wochenende für die ganze Familie. Und auch wenn am Anfang der ein oder andere Zweifel seitens der Dame des Hauses gehegt wurde, war es am Ende für Alle ein rundum gelungener Kurzurlaub.

Aber zurück zum Thema: Nachdem die Anmeldung raus und die Ferienwohnung gebucht war, begann ich, mich als vorbereitende Maßnahme, genauer über dieses Rennen zu informieren. Dass der Breisgau nicht zu den flachsten Regionen in unserem schönen Land gehört, ist vermutlich jedem mit halbwegs vernünftigen Geographiekenntnissen klar – man hat dort den ein oder anderen Hügel (manche werden euphemistisch auch als Weinberge bezeichnet) aufgeschüttet und der Breisgauer als dortiger Ureinwohner kann mit diesen natürlich vortrefflich umgehen und baut sie somit auch mit Freude in eine 80 Kilometer lange Radstrecke und den darauf folgenden Halbmarathon ein. In Forenbeiträgen wird dann gerne auch mal von einem “anspruchsvollem Radkurs” und einer “herausfordernden Laufstrecke” gesprochen – in der Realität entpuppt sich dies allerdings dann ab und an schon mal als anspruchsvoller und herausfordernder als erwartet. Trotz allem sah das Höhenprofil auf diversen GPS-Trackingseiten zwar nicht besonders nett, aber machbar aus – wenn es in der Vorbereitung auch ein wenig Magengrummeln hinterließ.

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Abarbeiten der mentalen Checkliste: Ist alles dort, wo es hin muss?

Nach dieser Vorgeschichte und einem grandiosen Wochenenden mit der Holden und dem Junior (im Europapark, Strasbourg, etc, siehe oben) stand ich also pünktlich am 21. August mit knapp 200 anderen Athleten an der Startlinie am Müllersee in Riegel um die 2 Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen in Angriff zu nehmen. Sogar (dass erste mal während eines Wettkampfes) mit Neopren, weil der Herr von der DTU mit dem inzwischen berüchtigten DTU-Meter eine Wassertemperatur von unter 22,9°C herbei gemessen hatte. An der Startlinie wurde dann doch noch diskutiert, wo gemessen wurde (falscher See, in 5 Meter Wassertiefe, etc.), denn die Temperatur des Gewässer entsprach eher der eines Warmbadetages in einem Hallenbad. Sei es wie es sei, die Pelle wurde übergestreift (vielleicht war es ja draußen im See ein wenig kälter) und pünktlich um 9:00 ertönte zu den fast schon traditionellen Hells Bells von ACDC der Startschuss.

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Geometriekenntnisse benötigt – erst wird ein Dreieck geschwommen, dann ein Quadrat…

Ein Dreieck und ein Quadrat mussten wir schwimmen um die volle Distanz zu erreichen – so die Vorgabe des Streckensprechers – und so nahm ich mit den 200 geometrisch ebenfalls bewanderten Kollegen den direkten diagonalen Weg zur ersten Wendeboje am anderen Ende des Sees. Das Startareal zog sich doch recht stark in die Breite. Die berüchtigte Keilerei in der viel zitierten Waschmaschine fiel somit größtenteils aus und die ersten 400 Meter ließen sich angenehm und fast ungehindert schwimmen. Da ich dazu tendiere auf der Schwimmstrecke immer alles raus zu hauen was die Arme hergeben, musste ich mich wie auch später immer wieder selbst daran erinnern, dass ich nicht auf einer Kurzdistanz unterwegs war und mich regelmäßig einbremsen um nicht alles Pulver direkt zu verschießen. Also erstmal keine Tempo-Scharmützel, kein All-Out, sondern gleichmäßig durchs Wasser pflügen. Zu meiner eigenen Überraschung stieg ich aber trotzdem bereits nach etwas über 32 Minuten aus dem See (meine eigene Vorgabe lag bei etwa 34 Minuten) und kam trotz Allem doch noch recht entspannt in der ersten Wechselzone an. Da ich das Ausziehen des Neos nicht vorher explizit geübt hatte, sah ich mich schon einen der gefürchteten Wechselzonen-Pellentänze aufführen, allerdings verlief das Entblättern erstaunlich unkompliziert und nach etwa 4 Minuten saß ich auf meinem Bike. Die Radschuhe hatte ich in den Wechselbeutel gepackt, was sich aufgrund des matschig-steinigen Bodens im Bikepark als sehr vernünftig erwies (jaja, nicht immer ist die “coole” Variante mit eingeklinkten Schuhen am Bike auch die Beste).

Es folgte die acht Kilometer lange Anfahrt zum Rundkurs und das alt bekannte Phänomen: Wenn Du gut schwimmen kannst, dann können die ersten Kilometer der Radstrecke psychisch hart werden, denn dort kommt die Welle an Radmonstern von hinten angerollt, die zwar alle schlechter schwimmen, aber verdammt schnell fahren können. Bereits hier dämmerte mir, dass die Anzahl der “Nur-Ankommer”, welche man ja bei olympischen Distanzen und Großevents in genügender Zahl finden kann, bei diesem Triathlon doch wohl eher geringer ausfallen dürfte. Das Tempo war von Anfang an hoch, aber ich widerstand der Versuchung mitzufahren. Zum Einen, weil ich noch ohne Erfahrung auf dieser Distanz war und mich an meine eigene Energieverwaltung erstmal herantasten wollte, zum Anderen, weil ich zwar das theoretische Höhenprofil der Strecke kannte, aber keine Chance hatte, sie mir vorher anzusehen. Alles was ich wusste war, dass jede Runde etwa 340 Höhenmeter hatte, die sich aber “nur” auf etwa 7 Kilometer der Runde verteilten. Von daher hieß es vorsichtig sein und sich nicht schon am Anfang zerstören.

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Schwarzwaldrunfahrt – sieht harmlos aus, hat es aber in sich…

Kurz nach der Ortsdurchfahrt Malterdingen begann dann der erste Anstieg, was sich optisch schon durch Grüppchenbildung im Feld vor mir ankündigte. An der Stelle konnte ich mich zwar an den ein oder anderen Kollegen wieder heranarbeiten, blieb aber trotzdem vorsichtig, da ich in der ersten Runde noch keine Ahnung hatte, wie lange der Anstieg über die ersten 200 Höhenmeter sich noch hinziehen würde. Insgesamt sind es mehr oder weniger drei Stufen mit kurzen Flachstücken dazwischen – so gesehen eigentlich machbar, aber es wird von Runde zu Runde schwerer und beim dritten und letzten Mal war ich froh, einfach nur noch drüber rollen zu können. Nach dem Anstieg ging es in eine rasante Abfahrt, in der mich nicht nur viele Mitstarter sondern auch die Erkenntnis überrollte, dass ich wohl bei solchem Gefälle lernen muss wesentlich gnadenloser abzufahren – aber nicht so gnadenlos wie der Herr, den es am Ende des Gefälles im Graben zerlegt hat und von der Truppe vom Verein Weiß-Rot abtransportiert werden musste (gute Besserung an der Stelle).
Die Radstrecke windet sich danach durch ein paar Ortschaften und führt dann in die Weinberge – der Anstieg hier ist überschaubar (ca. 60 HM auf etwa 1,5 Kilometer mit ein paar kleineren Rampen), dafür ist die Abfahrt teilweise sehr hakelig (enge 90° und S-Kurven), ganz besonders, wenn es wie in der zweiten Runde anfängt, aus Kübeln zu schütten, der Weg samt Matsch rutschig wird und die Bremsen nur noch bedingt greifen. Die Strecke ist zwar gut ausgeschildert und die Gefahrenstellen mit Strohballen und Streckenposten ausgestattet, aber hier sollte wirklich die Vernunft siegen und das Interesse in einem Stück samt Fahrrad wieder unten anzukommen.

An dieser Stelle ist wohl auch mal ein Einwurf zum Thema Streckenposten und Zuschauer sowohl auf der Rad- als auch der Laufstrecke angebracht: Sicher findet man keine Zuschauermassen und Nester, wie wir sie von den großen Events kennen. Aber jedes Dorf, jedes Städchen dort in der Umgebung beteiligt sich an diesem Triathlon, an vielen Stellen ist die Freiwillige Feuerwehr als Streckenposten im Einsatz, sehr viele Anwohner platzieren sich im Liegestuhl vor ihren Häusern, bauen eigene kleine Stimmungsnester und feuern jeden Einzelnen frenetisch an. Man hat das Gefühl als Athlet, dass die ganze Region hinter diesem Event steht und ich bin immer noch fasziniert, dass das Verhältnis von Athleten und Helfern bei “nur” 500 Startern auf Mittel- und Jedermanndistanz bei ziemlich genau 1:1 liegt. Ein ganz großes Dankeschön und “Daumen Hoch” hierfür!

Zurück zum eigentlichen Rennen. Nach drei auch zeitlich eher durchwachsenen Runden, rollte ich mit einer Radzeit von 2:53 in die zweite Wechselzone in Malterdingen – etwa 20 Minuten langsamer, als ich mir zum Ziel gesetzt hatte. Ich wollte einen Schnitt um die 31 km/h fahren, am Ende wurden es aber nur ca. 28 km/h. Der Wechsel gestaltete sich als Luxus: Das Rad wird einem direkt abgenommen, der Beutel wird einem angereicht und man bekommt sogar einen persönlichen Wechselassistenten, der einem beim Verstauen der Radsachen hilft. Das kannte ich in dieser Form bisher nicht oder wenn, dann nur für die Profis.

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Sieht von oben eigentlich gar nicht so gemein aus – die Laufstrecke

Nach weiteren 2,5 Minuten ging es mit dem Gefühl “Keine Ahnung wie da jetzt noch 21 Kilometer gehen sollen” auf die berüchtigte Laufstrecke. Nachdem ich auf den ersten 3 Kilomteren “Einlaufrunde” doch wieder einige der auf dem Rad weggefahrenen einsammeln konnte, kamen plötzlich auch die Beine wieder zurück – gerade noch rechtzeitig vor dem ersten Einstieg in die Weinberge…nennen wir diesen hier einfach mal freundlich DIE WAND. Ich wusste ja vorher schon, dass es dort aufwärts geht (ca. 100 HM), nur war mir nicht klar, wie weit und wie steil. Und auch wenn ich den Brunnenfestlauf (siehe Bericht) mit seiner Steigung für hart gehalten hatte, dann war das hier noch einmal ein ganz anderes Kaliber – gerade dann, wenn man erst kurz vorher die 80 Kilometer auf dem Rad beendet hat. Aber es ist wie es ist, und wenn man bis ins Ziel kommen will, dann muss man da durch. Der gleichmäßige kleine Laufschritt kann hier Wunder wirken, und so ging es kontinuierlich den Berg hoch. Auch hier hält die Strecke noch einmal eine kleine Überraschung bereit: Wenn man glaubt, man sei ganz oben angekommen, folgt plötzlich noch einmal ein kurzer steiler Anstieg. Danach bleibt es dann zwar wellig, aber mit stetiger bergab Tendenz. Man kann es also laufen lassen und lediglich der Gedanke, dass man da noch ein zweites mal durch bzw. hoch muss, verdirbt einem an der Stelle ein wenig den Spaß.
Die erste Runde war dann auch in knapp unter 52 Minuten gelaufen und somit fast schon schneller als die 10,5 Kilometer auf meiner letzten Kurzdistanz, die genau 0 (in Worten null) Höhenmeter hatte. Manchmal verstehe ich meine Beine nicht (dass beruht vermutlich auf Gegenseitigkeit)…und bis Kilometer 14 ging es locker weiter. Dann stand ich das zweite mal vor DER WAND und vor einer Entscheidung: Meine Beine wussten es, ich wusste es – entweder nochmal hoch laufen und dann in den Weinbergen untergehen oder aber einen Gang zurückschalten, mit gestrecktem Gang den Berg hochmarschieren und nach dem Anstieg nochmal richtig durchziehen. Zweiteres war das Mittel der Wahl und die absolut richtige Entscheidung. Trotz der Wandereinlage kam der Kollege hinter mir nicht wirklich näher und der vor mir konnte auch nicht weg laufen. Dafür konnte ich nach erfolgreichem Aufstieg ohne Probleme wieder mein normales Lauftempo aufnehmen und auf den letzten 5 Kilometern noch ein paar weitere Athleten einsammeln. Im Endeffekt habe ich dadurch am Ende vielleicht 3-4 Minuten verloren, also eine sehr überschaubare Zeit. Die letzten 2 Kilometer, welche kontinuierlich bergab führen, waren dann von ein paar Beinahe-Krampfanfällen in der linken Wade begleitet, die ich aber kurz vorher gerade abfangen konnte.
Am Ende durfte ich mir sogar noch einen Zielsprint mit einem Athleten hinter mir gönnen – der aber eigentlich nur aus Frust zustande kam, weil mir auf dem roten Teppich aufgrund einer Windböe ein Absperrpoller samt Band in den Weg geweht wurde, beim Ausweichen die Wade endgültig zumachte und ich kurz stehen bleiben musste. Den Platz, wenn auch nur hinteres Mittelfeld wollte ich trotzdem nicht mehr hergeben. 😉
Summa Summarum stand am Ende eine Laufzeit von 1:49h zu Buche (meine eigene Vorgabe war um die 1:45, also absolut im Soll) und eine Gesamtzeit von 5:21h sowie die Erfahrung, meine erste Mitteldistanz bei einem absolut genialen und herausfordernden Wettkampf bestritten zu haben. Großartige Organisation, super Strecke, tolle Helfer und eine so dahinter stehende Region, da  kann sich so manches Großevent die ein oder andere Scheibe abschneiden.

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Nach insgesamt 103 Kilometern: Am Ende doch noch ein Zielsprint mit Fotofinish… 😉

Bei der Frage, ob das Event für Einsteiger auf dieser Distanz geeignet ist, kann ich lediglich mit einem ganz entschiedenen “Kommt drauf an” antworten. Wenn es nur darum geht, mal eine Mitteldistanz gemacht zu haben und irgendwie durchzukommen, dann dürfte beziehungsweise könnte dass für viele Neulinge sehr frustrierend werden. Ich persönlich fand das sportliche Niveau dort durch die Bank weg sehr hoch, bis auf eine handvoll Athleten blieben alle Zielzeiten unter 6 Stunden und damit wird es in diesen Bereichen natürlich sehr schnell sehr einsam.
Wer aber mal wissen möchte, wo er in seinem Sport mit seinen Leistungen steht, auch vor schwierigen Aufgaben keine Angst hat und auch ein wenig ambitionierter ist, der ist dort genau richtig aufgehoben.

Mir hat es trotz aller Strapazen unendlich viel Spaß gemacht, es hat mir gezeigt, wo ich richtig trainiert und gearbeitet habe aber vor allem auch, wo meine Schwachstellen liegen – diese werden dort gnadenlos aufgedeckt – und wo ich mich verbessern kann/muss.
Mit Sicherheit war ich nicht das letzte mal dort und mein Ziel (wenn auch dieses Jahr ziemlich verfehlt) bleibt, dort die 5 Stunden-Marke zu knacken.

Wir sehen uns im Ländle…